Die Köpperner und Rodheimer Mühlen am Erlenbach
Vortrag von August Will, Köppern, am 28.4.2006
Auf die
Bedeutung der Worte "Mühle" und "Müller" im Sprichwort, in Liedtexten,
im täglichen Sprachgebrauch und als Familiennamen wies Referent Will zu Beginn
seiner Ausführungen hin. Dem Familiennamen Müller ist in Deutschland der
Spitzenplatz nicht streitig zu machen. Als selbstständiger Handwerker ist der
"Müller" heute eine aussterbende Spezies, längst haben Großmühlen das
Terrain übernommen. Ein gewisser Nimbus ist diesem uralten Gewerbe allerdings
noch immer eigen; in vielen Regionen unseres Landes haben sich Mühlenfans,
Technikfreaks und naturverbundene Hobbyforscher zusammengefunden, um die
Erinnerung an die "ältesten Maschinen der Welt" - so der Referent - wach zu
halten.

Die
Existenz der Mühlen war abhängig vom Wasserangebot. Die reichliche Wasserführung
und günstige Geländeverhältnisse haben am heimatlichen Erlenbach in früheren
Jahrhunderten zur Anlage von zahlreichen Mühlgräben und und Mühlteichen geführt.
Von der Quelle unterhalb des Sandplackens im Taunus bis zur Mündung in die
Nidda ist der Erlenbach 28,5 Kilometer lang. Die Quelle liegt 610 m über NN,
505 Meter Gefälle überwindet er bis zur Mündung. Insgesamt wurden 32 Mühlen
von diesem Taunusbach betrieben, alleine 18 davon arbeiteten an seinem Mittel-
und Unterlauf. Auf Köpperner Territorium siedelten sich 10 Mühlen an. Eine
davon, die "unterste Mühle" (auch Gebrannte Mühle, Tannenmühle und
Grunermühle genannt), hat für die Gemeinde Köppern eine besondere Bedeutung:
Im Jahr 1269 gab Gerhard III. von Eppstein eine Mühle zum Lehen "in Copperno".
Diese Ersterwähnung Köpperns in einem Mühlen-Lehensbrief wird der Mühle mit
den vier bekannten Namen zugeordnet.
Bereits
Friedrich Barbarossa erlies 1158 ein sogenanntes "Mühlenregal", das nur dem
Grundherren das Recht auf Bau und Betrieb von Mühlen zusicherte und die
Untertanen zwang, ihr Mahlgut in einer dem Grundherrn gehörenden Mühle mahlen
zu lassen (Mühlenzwang). Im 14. und 15. Jahrhundert entstanden dann die
sogenannten Erbleihmühlen. Sicher ist, dass die "unterste Mühle" eine
echte Erbleihmühle war.
Heute
ist die "Grunermühle" eine Rodheimer Mühle - zumindest teilweise! Die Erklärung
des Referenten Will ist einleuchtend: Vor der Teilung der Rodheim-Köpperner
Waldmark weist das Homburger Saalbuch von 1575 die "Tannenmühle" als eine
zum Amt Homburg gehörende Erbleihmühle aus. Als die Markteilung im Jahr 1737
endgültig geregelt und in schriftlicher Form festgelegt war, übte bereits ein
Rodheimer Ortsbürger -Johann Philipp Vorbach- auf der "Gebrannten Mühle"
das Müllerhandwerk aus. Er gehörte zu einer "Müllerdynastie", die ab 1640
drei Erlenbachmühlen bewirtschaftete: Die Dickmühle, die immer in der
Rodheimer Gemarkung lag, die Gebrannte-bzw. Tannenmühle und die Bornmühle, die
Holzhausen zuzuordnen ist.
Ein
"Unikum" ist die heutige Grunermühle geblieben: Die Köppern-Rodheimer
Grenze führt seit 1737 durch das Anwesen. Das alte Mühlengebäude steht in der
Rodheimer Gemarkung, das Wohnhaus gehört zum Köpperner Gebiet. Das heißt
auch, durch das Mühlengelände führt die Kreisgrenze: Wetteraukreis und
Hochtaunuskreis; ehedem war es sogar eine "Staatsgrenze": Großherzogtum
Hessen und Landgrafschaft Hessen-Homburg.
24. ordentliche Mitgliederversammlung am 24.3.2006
Der formale
Teil der Mitgliederversammlung des RGHV war, da keine Vorstandswahlen anstanden
und im Anschluss an die Mitgliederversammlung ausführlich auf die
Vereinsaktivitäten im Rahmen eines Vortrages eingegangen wurde, zügig
abgehandelt. Der Jahresbericht der Vorsitzenden Doris Fischer beschränkte sich
daher auf die Besucherstatistik bezüglich der Veranstaltungen des RGHV im Jubiläumsjahr
2005. Der 2. Vorsitzende Dr. Karsten Brunk ergänzte die sehr positive Bilanz
durch eine Grafik, welche die überaus zahlreichen monatlichen Zugriffe auf die
Seiten der Homepage des RGHV verdeutlichte.
Die
Schatzmeisterin Margot Mehring konnte von der ausgesprochen erfolgreichen
Mitgliederwerbung im Jubiläumsjahr berichten. Nun liegt die Mitgliederzahl
deutlich über 100 Personen.
Das
Jahresprogramm 2006 des RGHV (siehe Seite "Veranstaltungen") ist noch durch
einen weiteren Termin am 3.11.2006 ergänzt worden. Dafür musste der an diesem
Tag geplante Vortragstermin um eine Woche auf den 27.10.2006 vorverlegt werden.
Das Jubiläumsjahr 2005 im Rückblick
Präsentation und Vortrag von Dr. Karsten Brunk am 24.3.2006
Der
2. Vorsitzende Dr. Karsten Brunk leitete seinen Vortrag mit einer Rückschau auf
die Planungsgeschichte der Jubiläumsjahresaktivitäten ein. Dazu hatte er in
den Vorstandsprotokollen des RGHV weit zurück geblättert, um an die Quellen
unserer Überlegungen zu diesem nun bereits historischen Ereignis zu kommen. Im
November 1997 und im Januar 1998 wurde er fündig: Festschrift, Festvortrag,
zweitägiges Straßenfest, Veröffentlichungen in den "Rodheimer Heften",
Ausstellung im Bürgerhaus, Musik auf alten Instrumenten (alte Musik) und
Mundartabend wurden damals bereits vorgeschlagen.
Ab Juni
2000 präzisierten wir diese Vorhaben, neue kamen hinzu und weitere zum Teil
sehr fantasievolle Vorschläge wurden wieder verworfen. In Abstimmung mit Bürgermeister
Brechtel wurde das Hessische Staatsarchiv in Darmstadt eingeschaltet, um zu klären,
wie die bisherige Datierung der urkundlichen Ersterwähnung zu bewerten sei. Die
Nachricht, dass das Jahr 805 als die urkundliche Ersterwähnung angesehen werden
kann, wurde von dem leitenden Archivdirektor Prof. Dr. Friedrich Battenberg bestätigt
und brachte uns ein Jahr zusätzliche Vorbereitungszeit. Bürgermeister Brechtel
machte auch deutlich, dass er auf qualitativ anspruchsvolle Jubiläumsaktivitäten
Wert lege, da die Stadt Rosbach noch Jahrzehnte später an ihren Veranstaltungen
gemessen würde!
Nun folgten
vier Jahre sehr intensiver Vorbereitungen, an denen ab 2002 auch die
Verantwortlichen der Stadt, der örtlichen Vereine und der Kirchen mit großen
Engagement beteiligt waren.
Zum Auftakt
des Jubiläumsjahres konnte der Bürgermeister am 1. Februar 2005 den Rodheimer
Bürgern die Jubiläumsschrift "Rodheimer Geschichte erleben!" überreichen,
die auch einen umfangreichen Veranstaltungskalender für das Jubiläumsjahr
beinhaltete. Alle Aktiven hofften, dass die Angebote Zustimmung finden und einen
regen Besuch zeitigen würden; sie hofften des weiteren, dass der Wettergott wohlgesonnen auf Rodheim schauen und die jeweiligen Veranstalter mit
Sonnenschein für ihre Mühe belohnen möge. Die zahlreichen gezeigten
Bilddokumente der Jubiläumsveranstaltungen konnten diese erfüllten Hoffnungen
eindrucksvoll belegen. Mit Fug und Recht ist zu sagen: "Rodheimer Geschichte
erleben!" war ein vielfältiges Erlebnis mit einer ausgesprochen positiven
Resonanz, und dies nicht nur bei der Rodheimer Bevölkerung!
Schinderhannes
sein Lebensweg zwischen Taunus, Wetterau, Hunsrück und Odenwald
nach Prozess- und Polizeiakten sowie mündlichen Überlieferungen
Vortrag von Dr. Mark Scheibe am 9.3.2006
Das
Kinderspiel "Räuber und Gendarm" und die Erzählungen der Erwachsenen über
den legendären Räuberhauptmann gehören sicher zu den Kindheitserinnerungen
der überaus zahlreich erschienenen Vereinsmitglieder und Gäste. Carl
Zuckmeier, geboren in Rheinhessen, war von dem extrovertierten Räuber so
fasziniert, dass er ihm 1927 mit seinem Bühnenstück "Schinderhannes" ein
Denkmal setzte. Die Verfilmung des Stoffes 1958 verfestigte die Mär vom
"Deutschen Robin Hood".
Der
Referent versuchte in seinem Vortrag die Vermischung von Dichtung und Wahrheit
zu relativieren. Obschon auch er einräumen musste, dass dies im Endeffekt nicht
möglich sein würde. Johannes Bückler war ein Räuber mit Charisma, der es
schon zu Lebzeiten verstand, sich und seine Auftritte zu inszenieren. Die
politische Situation begünstigten ihn und seine Räuberbande. Die französische
Revolution hatte den rheinischen Gebieten zwölf Jahre lang kriegerische
Auseinandersetzungen mit Befreiung und Besetzung, oft im monatlichen Wechsel,
gebracht. Auch der territoriale Flickenteppich von Kleinststaaten begünstigte
das Unwesen der Räuberbanden. "Häufig genügte der Sprung
über einen Grenzbach", so Dr. Scheibe, um sich bei Diebeszügen schnell in
ein benachbartes Territorium zu flüchten.
Der Referent machte
deutlich, dass Schinderhannes in den von den Franzosen besetzten
linksrheinischen Gebieten sicherlich viele Verbrechen begangen habe, jedoch im
Rechtsrheinischen nicht nur Unterschlupf gefunden und Verkaufsmöglichkeiten für
Diebesgut bei Hehlern und auf Märkten gesucht habe. Nur seien die Verbrechen in
den rechtsrheinischen Kleinstaaten nicht so systematisch ermittelt worden, wie
dies die französische Verwaltung tat. Die dortige zeitaufwendige
Zeugenbefragung genügte, dem Räuberhauptmann und seiner Bande, die durch
gegenseitigen Verrat gefasst wurden, für 53 begangene Delikte den Prozess
zu machen. Offenbar wollte man das Ermittlungsverfahren, das ohnehin zwei Jahre
dauerte, nicht noch weiter in die Länge ziehen.
Der Schauprozess endete
nach vier Wochen und täglich sechs Stunden Verhandlung am 20. November 1803 mit
20 Todesurteilen. Am Tag der Exekution sollen 40000 Zuschauer der Hinrichtung
beigewohnt haben; begierig, noch einen letzten Blick auf den berüchtigten und
inzwischen sagenumwobenen Räuberhauptmann und seine Spießgesellen zu werfen.