Band 8 (2012) der "Rodheimer Hefte" ist
erschienen
Der Rodheimer Geschichts- und
Heimatverein bietet Ihnen wieder einen neuen Band
- Nr. 8 (2012) - seiner Schriftenreihe "Rodheimer Hefte" an.

Drei Jahre nach dem
Erscheinen des letzten Bandes der Rodheimer Hefte können wir Ihnen nun die
nächste Ausgabe mit einer vielfältigen Palette an Beiträgen präsentieren -
diese spannen wieder den Bogen von historischen Zeugnissen aus dem
Mittelalter bis zu zeitgenössischen Ereignissen aus unserer jüngeren
Vergangenheit.
Mit dem Phänomen
Zeit und seinem Bedeutungswandel im Laufe der Geschichte hat sich unser
Vorstandsmitglied Joachim Beuck beschäftigt. Als "Aufhänger" und sichtbares
Zeichen diente ihm dabei die Rodheimer Kirchturmuhr, deren historische
Spuren und Veränderungen er in seinem Beitrag rekonstruiert.
Den umfangreichsten
Artikel im vorliegenden Heft verdanken wir unserem Gründungsmitglied und der
langjährigen Vorsitzenden Doris Fischer, die nach längerer schwerwiegender
Erkrankung zu unserem größten Bedauern im März dieses Jahres verstorben ist.
Ein Nachruf und eine Würdigung ihres herausragenden Wirkens wird ihm Rahmen
der Vereinsmitteilungen im Anhang gedruckt.
Der Artikel von
Doris Fischer greift viele Facetten zum Thema Evakuierung, Flucht und
Vertreibung auf. Den Schwerpunkt bilden neben der Schilderung von
Einzelschicksalen vor allem die Bewältigung der enormen Herausforderungen
bei der Unterbringung und Versorgung der bis zu etwa 600 "Neuankömmlinge" am
Beispiel von Rodheim. Andererseits galt Doris Fischers besonderes Interesse
auch der Frage nach der Integration der Neubürger.
Anlässlich des 40.
Jahrestages der 1972 in Angriff genommenen Umsetzung der hessischen
Gebietsreform hat die Lokalpresse im Frühjahr 2012 dieses Thema aufgegriffen
und darüber berichtet. Am 1. August 1972 waren Rosbach und Rodheim vor der
Höhe zur Stadt Rosbach zusammengeschlossen worden. Bei der Reaktion auf die
Presseberichterstattung zeigte sich aber, dass dieses Thema bei manchem noch
immer dazu geeignet ist, Missempfindungen zu entwickeln. Auch bei den
Ortsbeiratssitzungen der Rosbacher Stadtteile kam daraufhin das Thema "40
Jahre Stadt Rosbach v.d.Höhe" zur Sprache, so in Rodheim am 29.2.2012. Dies
war dann für den RGHV Anlass und Aufforderung sich dieses Themas anzunehmen
und es in sachlicher Form aufzubereiten. Dafür konnte unser
Vorstandsmitglied Ute Veit gewonnen werden, die nicht zuletzt dadurch
prädestiniert ist, als ihr Vater Alwin Biedenkapp der letzte Rodheimer
Bürgermeister war. Selbstverständlich ist dabei, und aus Gründen der
Authentizität auch beabsichtigt, dass neben der Schilderung der Fakten auch
die damalige lokale Sicht und die dortigen Empfindungen nicht unerwähnt
bleiben sollen.
Im Abschnitt "Kurze
Beiträge" werden zunächst von Professor Azzola, Fachmann für Tympana, neue
Befunde zum ältesten Relikt der alten hochmittelalterlichen Rodheimer Kirche
geschildert. Dabei hat sich herausgestellt, dass das Rodheimer Tympanon mit
seiner Lebensbaum-Auszier einzigartig in Mitteleuropa ist.
Gleis 24 - das
Bahngleis an dem die Rodheimer Arbeiterpendler im Frankfurter Hauptbahnhof
in den Jahren um 1960 ankamen - ist Gegenstand einiger Bemerkungen von
Gerhard Herbert. Er zeichnet darin ein sozialhistorisches Stimmungsbild
einer Zeit, die im Vergleich mit heute schon lange zurück zu liegen scheint.
Wie es damals, vor
einem halben Jahrhundert, in Rodheim "bildlich" ausgesehen hat, verdanken
wir Photos aus dem Nachlass von Gisbert Kaufmann. Eine Auswahl davon,
nämlich eine vom Kirchturm aus aufgenommene Bilderserie ist im letzten
Beitrag "Rodheim vor 50 Jahren" abgedruckt. Um die seitherigen Veränderungen
verdeutlichen zu können, werden den historischen Aufnahmen entsprechende
Schrägluftbilder neueren Datums von Karsten Brunk gegenüber gestellt.
Karsten Brunk
Fachwerkperle Alsfeld und historisches Romrod
Bus-Exkursion nach Oberhessen
Am Samstag, dem 15. September 2012, war das
nördliche Vorland des Vogelsberges das Ziel einer vom Rodheimer Geschichts-
und Heimatverein (RGHV) angebotenen Exkursion. Erste Anlaufstelle des voll
besetzten Busses war Romrod, das mit seiner Vielfalt an historischen
Zeugnissen die meisten Teilnehmer überraschte. Zunächst führte uns der
überaus sympathische Pfarrer Knoblauch durch die Räume, Gänge und
Treppenhäuser des Schlosses Romrod, das nach seiner umfassenden Sanierung
durch die Deutsche Stiftung Denkmalschutz inzwischen zu einer "Hochburg für
Hochzeitsfeiern" geworden ist.

Seine historische Bedeutung hatte das
Gebäudeensemble unter anderem als Sommerresidenz und Jagdschloss der
großherzoglichen Herrschaften aus Darmstadt. Im Zuge der Sanierung konnten
im Hof des Schlossgeländes auch aufschlussreiche siedlungsarchäologische
Befunde zur früh-/hochmittelalterlichen Nutzung und Bebauung gemacht werden.
Da die im feuchten Untergrund erhalten gebliebenen hölzernen Hausrelikte zu
den ältesten ihrer Art in Deutschland gehören, wurde eigens dafür ein Museum
errichtet, das durch die hervorragende Art der Präsentation seiner Exponate
besticht.
In Romrod hat es bis Anfang der 1930er Jahre
eine jüdische Landgemeinde mit einer bis heute erhalten gebliebenen und
inzwischen restaurierten Synagoge und einer Mikwe gegeben. Die Erhaltung des
Gebäudes ist dem Umstand zu verdanken, dass dieses 1935 an einen Landwirt
verkauft und in der Folge als Scheune und Lager genutzt worden war.

Nach dem Mittagessen in Romrod hieß es dann
"auf nach Alsfeld", der überaus sehenswerten Fachwerkstadt mit der
besonderen Auszeichnung "Europäische Modellstadt für Denkmalschutz".
Immerhin zählt Alsfeld heute noch über 420 erhaltene Fachwerkhäuser.
Hier stand zunächst das in diesem Jahr
bereits seit 500 Jahren bestehende Alsfelder Rathaus im Mittelpunkt, dessen
geschichtsträchtige Räume ebenfalls besichtigt werden konnten. Dieses
Wahrzeichen der oberhessischen Fachwerkstadt gehört zu den bekanntesten,
aber auch zu den kunstgeschichtlich interessantesten deutschen
Rathausbauten. Es ist ein architektonisches Meisterwerk und wirkt in seinem
Aufbau wahrhaft monumental.

Im Rahmen der anschließenden fachkundigen
Altstadtführung präsentierte uns der Stadtführer nicht nur weitere
herausragende Bauwerke, in der Dreifaltigkeitskirche aus dem späten
Mittelalter erfuhren wir auch, wann es wichtig ist "die Klappe zu halten".
Seine Abrundung erfuhr
der gelungene Exkursionstag bei hausgemachtem Kuchen in einem der
urig-gemütlichen Alsfelder Cafés.
Karsten
Brunk
Arno Paduch mit dem Johann Rosenmüller Ensemble
erneut zu Gast beim Rheingau Musik Festival

Exkursion des Rodheimer Geschichts- und
Heimatvereins am 10. August 2012 zum Konzert
Arno Paduch, in Rodheim aufgewachsen, ist
bekannt für seine Verdienste um die Alte Musik. Die Aufführung der Missa
solemnis des Komponisten Joseph Schmitt durch das von ihm gegründete und
geleitete Johann Rosenmüller Ensemble im Kloster Eberbach war überdies ein
besonderes Ereignis, war dieses Werk doch hier von Schmitt in seiner Zeit
als Zisterzienser-Mönch komponiert worden. 250 Jahre nach seiner Entstehung
erklang das Werk erstmals wieder in der Basilika des Klosters. Kopien der im
Laufe der Säkularisierung verloren gegangen Noten waren in der Bibliothek
der Zisterze Ebrach in Franken wiedergefunden und von Paduch bearbeitet
worden.
Georg Adam Joseph Schmitt wurde 1734 in
Gernsheim geboren, trat 19-jährig in den Zisterzienserorden des Klosters
Eberbach ein und empfing 1757 die Priesterweihe. Es folgte ein Intermezzo in
Dresden und es ist bekannt, dass er bei Carl Friedrich Abel (*Köthen 1723,
+London 1787) studierte und neben dem jungen Mozart zu dessen herausragenden
Schülern gehörte. Zurück im Kloster Eberbach oblag ihm die Verantwortung als
Chorregent. Und es war seine schaffensreichste Zeit. Nicht nur geistliche
Werke zählen zu seinen Kompositionen, er schreibt Kammermusiken und
Sinfonien. Verlegt wurden die Werke vom renommierten Amsterdamer Drucker
Jean Julien Hummel, gesponsert durch das Kloster Eberbach.
Es ist nicht zu eruieren, warum der
37-Jährige das Kloster Eberbach verließ und in ein weltliches Leben eintrat.
1771 ließ er sich in Amsterdam sehr erfolgreich als Komponist, Lehrer und
Verleger nieder und bereicherte die niederländische Musikkultur nachhaltig.
Warum er und seine Werke dennoch weitgehend unbekannt sind? Es wird
vermutet, dass manche seiner Kompositionen Josef Haydn zugeschrieben wurden.
Schmitt wird daher auch schon mal als der "Dutch Haydn" bezeichnet.
Grund genug für den Rodheimer Geschichts-
und Heimatverein auch dieses Mal eine Busexkursion zu diesem so bedeutenden
Konzertereignis des "Rodheimers" zu organisieren. Wie bedeutend? So
bedeutend, dass das Konzert live vom Deutschlandradio Kultur übertragen
wurde. Es war ein grandioses Erlebnis!
Zur Entstehungszeit des Werkes wurden die
Orchestermessen nicht zusammenhängend aufgeführt, sie waren Bestandteile der
Liturgie. So verwob Paduch die Elemente Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und
Agnus Dei aus Schmitts Missa solemnis mit denen der Psalmkonzerte des
Venezianers Antonio Caldera (1670-1736): dem Dixit Dominus, dem Laudate
Pueri Dominum - unübertroffen der Countertenor Franz Vitzthum im Duett mit
dem warmen Bassbariton von Markus Flaig -, dem Salve Regina und dem
krönenden Te Deum.
Arno Paduch wurde mit seinem bekannt
hochrangigen Ensemble und seiner sensiblen Auswahl wunderbarer Vocalsolisten
mit nicht enden wollenden Ovationen bedacht.
Ute Veit
30 Jahre RGHV mit Tag der "Offenen
Türen"
Nach dem vom Rodheimer
Geschichts- und Heimatverein (RGHV) am Vortag organisierten
Internationalen Freundschaftsfest hatte der RGHV am Sonntag, dem 17.
Juni 2012, zu einem Tag der Offenen Tür - oder eher der "Offenen Türen"
- eingeladen. Anlass war das 30jährige Vereinsjubiläum sowie der
erfreuliche Umstand, dass die Vereinsräumlichkeiten bis zum Frühjahr
2012 nach jahrelanger Enge endlich den tatsächlichen Bedürfnissen
angepasst werden konnten. Dies wollte man der Öffentlichkeit im Rahmen
mehrerer Führungen vorstellen.

Gottesdienst zum
Auftakt des Festtages neben dem Faselstall
Zu besichtigen waren
die neuen Magazinräume der Rodheimer Sammlung im Obergeschoss des alten
Rathauses, in denen auch das Inventar der alten Rodheimer Apotheke durch
Ute Veit präsentiert wurde. Dieter Mehring hatte die Führungen durch den
neuen Veranstaltungsraum "Forum Faselstall" und das Rodheimer
Gemeindearchiv im Gebäude des Faselstalls übernommen, wo die Mitglieder
des Geschichtsvereins im Auftrag der Stadt als ehrenamtliche
Archivverwalter tätig sind.

Gäste im Hof vor dem
Vereinsdomizil Faselstall
Den Auftakt des
Festtages bildete bei herrlichem Sonnenschein ein origineller
Gottesdienst auf dem idyllischen Gelände um den Faselstall, der vom
Posaunenchor umrahmt wurde. Auch bei der anschließenden musikalischen
Frühschoppen-Begleitung war der Posaunenchor wieder aktiv. Zur Bewirtung
der Gäste und Besucher der Führungen wurden Gulaschsuppe und diverse
Getränke angeboten. Für die vielfältige Unterstützung bei der
Ausrichtung des Festes sei den vielen Helfern und vor allem dem
Rodheimer Gesangverein herzlich gedankt.

Erläuterungen zur
alten Apotheke in der Rodheimer Sammlung
Auf besonderes
Interesse stieß neben den Führungen durch die Vereinsräumlichkeiten auch
das zusätzliche Angebot, die beiden Kirchtürme von innen zu besichtigen.
Pfarrer Berger erläuterte den Besuchern das Innenleben des Turms der
kleinen Kirche und der Vorsitzende des RGHV, Dr. Karsten Brunk, konnte
gleich dreimal hintereinander ein interessiertes Publikum durch den
alten Kirchturm am Marktplatz führen, der mit seinen 102 Stufen eine
beträchtliche Höhe vorweisen kann und schon von Weitem als Wahrzeichen
von Rodheim zu erkennen ist.
Zu dem aus dem späten
15. Jahrhundert stammenden Turm gehörte ein prächtiges Kirchenschiff.
Aber auch vor dessen Erbauung war das Kirchengelände bereits mehrfach
die Stelle gewesen, wo "die Kirche im Dorf stand". Brunk: "Wir gehen von
drei Vorgängerkirchen aus, die hier ihren Platz hatten." Aus dieser
frühen Zeit sind ein steinerner Sarkophag und das "Rodheimer Tympanon"
(steinerner Türsturz) erhalten und im Turm deponiert.

Vor der
Eingangspforte des alten Kirchturms
Ursprünglich im
spätgotischen Stil erbaut, erhielt der Turm nach einem Sturmschaden im
Jahr 1715 eine neu gestaltete, barocke Haube. "Das war der Stil der
damaligen Zeit." Im Jahr 1847/48 wurde das Kirchenschiff der "alten
Kirche" abgerissen und durch einen Neubau, die sog. "Große Kirche",
ersetzt. Lange sollte dieses Bauwerk allerdings nicht halten: schon in
den späten 1920er Jahren war es wegen Baufälligkeit unbenutzbar und
wurde dem Verfall preisgegeben. Im Jahr 1956 entschloss man sich in
Rodheim, das inzwischen stark heruntergekommene Schiff der Großen Kirche
abzureißen und auf dem ehemaligen Kirchengelände einen Kindergarten und
ein Dorfgemeinschaftshaus zu errichten. Der Turm blieb stehen und wurde
saniert.
Die besondere
Attraktion - im Innern des Glockenturms
Zwar verkünden die
Kirchturmglocken im Viertelstunden-Rhythmus die Uhrzeit, und ein
funkgesteuertes Uhrwerk gibt schon von Weitem Auskunft über Stunden und
Minuten, ansonsten kommt dem Turm außer seiner Wahrzeichen-Funktion nur
wenig Bedeutung zu. Das würde Karsten Brunk gern ändern und sieht in der
geplanten Neugestaltung des benachbarten Kita-Außengeländes auch reale
Chancen, den historischen Zusammenhang dieses stattlichen Bauwerkes
wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken.
E.
Halaczinsky/Karsten Brunk
Bildimpressionen zum 18.
Internationalen Freundschaftsfest am 16. Juni
Nachbetrachtung
zum Vortrag
von Prof. em. Dr. Hermann Ament, Mainz
Unser heutiges
Siedlungsmuster entstand in seinen Grundzügen in fränkisch-merowingischer
Zeit, somit liegen die Weiler und Höfe häufig unter den heutigen Ortskernen.
Die Lage der Wohnplätze kann aber durch die Positionierung der Friedhöfe
eingegrenzt, die ethnisch-soziale Struktur der Bewohner anhand der
Ausstattung der Gräber erforscht werden.
In fränkischer Zeit
etabliert sich die Sitte, die Toten in Reihen beizusetzen
("Reihengräberfeld"), sie in voller Tracht und mit teils reichen Beigaben zu
bestatten. Die Archäologen finden neben Keramik und gelegentlich Gläsern v.a.
Waffen in den Männer- und Schmuckstücke sowie Zeichen der Schlüsselgewalt in
den Frauengräbern.

Niedererlenbach, Grab
88: Glas- und Bernsteinperlen, eiserne Fibel (Brosche) mit
Silbertauschierung (Durchmesser 6 cm)
Prof. Dr. Hermann Ament,
emeritierter Professor für Vor- und Frühgeschichte der Universität Mainz,
führte am Freitag, dem 11.05.2012, eine große Zuhörerschaft in die
Entwicklungen und Strukturen des frühen Mittelalters ein, erstmals im Forum
Faselstall, dem neu etablierten Veranstaltungsraum des Rodheimer Geschichts-
und Heimatvereins. In Fortführung seines im letzten Jahr gehaltenen
Vortrags, der die Umwälzungen der Völkerwanderungszeit, speziell die
alamannischen Einflüsse in unserem Gebiet zum Thema hatte, ging es jetzt um
die Entwicklungen der Folgezeit unter fränkisch-merowingischer Herrschaft.
Das große Ereignis an der
Wende von der alamannischen zur fränkischen Vormacht war die Schlacht bei
Zülpich 496 n. Chr. Chlodwig I., Sohn von Childerich I., dessen Grabinventar
ebenfalls präsentiert wurde, war ein fränkischer König aus dem Geschlecht
der Merowinger, der nach dem Sieg zum christlichen Glauben übertrat. So
zeigen auch die Grabbeigaben, wie Ament speziell anhand der Gräberfelder von
Nieder-Erlenbach und Wölfersheim-Berstadt belegte, ein Nebeneinander von
Zeugnissen des frühen Christentums und Relikten heidnischen Aberglaubens. Es
finden sich Darstellungen des Kreuzes beispielsweise auf Fibeln ebenso wie
vorchristliche Symbole, die an den nordischen Tierstil erinnern.
Die Franziska, die
fränkische Wurfaxt, der Sax, das einschneidige Hiebschwert, die Spatha, das
zweischneidige Schwert, Cloissonnéarbeiten, mit Almandin verzierte Fibeln
und Skelettfunde – anhand der daraus abgeleiteten archäologischen Ergebnisse
ist es Professor Ament gelungen, ein brillantes Bild der Menschen der
vorkarolingischen Zeit zu zeichnen, in der wir auf zeitgenössische,
unmittelbare schriftliche Belege kaum zurück greifen können. Die Kenntnisse
und handwerklichen Fertigkeiten der Menschen dieser frühmittelalterlichen
Epoche waren für die Zuhörer beeindruckend.
Ute Veit
"Rund um Leichen"
Wanderung (mit Picknick) im Gebiet der
Wüstung Leichen, auf historischen Straßen und Landwehren
Etwa 40 wetterfest
ausgerüstete Geschichtsinteressierte machten sich am Sonntag, dem
22.04.2012, auf den Weg ins Gebiet östlich von Rodheim. "Rund um Leichen"
war das Thema einer von Dr. Karsten Brunk fachlich geführten Wanderung zum
Standort der größten, ältesten und am längsten besiedelt gewesenen Wüstung
im Gebiet der Gemarkung Rodheim. Wüstungen sind Siedlungsbereiche, die vor
der Neuzeit, vornehmlich im 14. und 15. Jahrhundert wieder aufgegeben
wurden. Die Gründe hierfür, seien es Sicherheitserwägungen oder
wirtschaftliche Zwänge, sind im Einzelfall nicht immer eindeutig.

Dr. Brunk, Diplom-Geograph
und Vorsitzender des Rodheimer Geschichts- und Heimatvereins, berichtete,
dass Leichen seine urkundliche Ersterwähnung im Jahr 775 bereits vor der
ersten Nennung Rodheims erfuhr. Anhand von historischen Katasterkarten
erläuterte er die Lage und Ausdehnung des Dorfes, auf dessen Existenz alte
Flur- und Straßennamen hinweisen. In einer Straßenkarte aus dem frühen 16.
Jahrhundert wird der Ortsname Lychen (Leichen/Laichen/Lichen) noch geführt.
Das Dorf lag - namengebend - an der historischen Leicher Straße, der
Heerstraße von Friedberg über Petterweil nach Frankfurt. Die Gegend, wo die
Leicher Straße von dem von Rodheim nach Okarben verlaufenden "grässigten"
Weg gekreuzt wird, heißt noch heute der "Leicher Grund". In der nördlich
davon gelegenen Flur war der Standort einer Kapelle, wo sich noch bis ins
20. Jahrhundert bei Bearbeitung des Ackers, Spuren von Schiefersteinen
gezeigt haben.
Über die Neue Leicher
Straße - die alte Trasse befindet sich, teilweise noch als Geländedelle
sichtbar, heute auf bewirtschaftetem Grund - ging es weiter nach Norden bis
zum Streitberg. Der Anstieg zum Streitberg markiert besonders deutlich den
Verlauf der historischen Leicher Straße, da sich hier sog. Hohlwege gebildet
hatten. Die damit verbundene Bodenerosion hat schließlich zur Ausbildung
einer tiefen und breiten Geländemulde geführt.

Endlich wartete in der Nähe
des Alten Berges ein stärkendes "Wiesen-Picknick"! Wegen der angekündigten
april-typischen Wetterkapriolen war es notwendig geworden, den Wanderern ein
Dach über den Köpfen zu geben, und so waren zuvor schon zwei der
vereinseigenen Pavillons aufgebaut worden. Auf den Wunsch "habt Ihr
Glühwein?" war man allerdings nicht vorbereitet. Dafür gab es aber andere
Leckereien. Diese bestanden aus Mäuslaibchen, Brötchen mit Fleischkäse und
Käse sowie diversen Blechkuchen, die von Ute Veit und Margot Mehring
zubereitet worden waren. Des weiteren war Dieter Mehring im
"Versorgungsteam" eifrig engagiert.

Mit Hilfe vieler Hände war
nach dem Picknick flugs alles abgebaut, eingeladen und picobello sauber, und
weiter ging's für alle, die sich für die "große Runde" entschieden hatten,
entlang des ehemaligen Wingerts (dem sog. Hartwiesen Weingarten) zum "Alten
Berg". Der Weg folgte der östlichen Rodheimer Gemarkungsgrenze bis zur
Petterweiler Grenze. Im Gebiet südlich des Alten Berges konnte Karsten Brunk
den Teilnehmern dann eine gut erhaltene Landwehr (grabenartige
Grenzmarkierung) zeigen, die sich hier fast so imposant darstellt, wie
andernorts der Limes. Bei der Umgehung des Alten Bergs, eines
Basaltausläufers des Vogelsbergs, lachte dann wieder die Sonne vom Himmel
und inspirierte die Teilnehmer zu kühnen Gedanken: Eigentlich sei der
Bergsporn wie geschaffen als ehemaliger Burgen-Standort!

Über das Gebiet des
Seegrundes und des Pfingstborns, wo die Lage der ehemaligen Quelle
diskutiert wurde, ging es bei inzwischen herrlichem Wetter nach Rodheim
zurück. Nicht nur über Wüstungen im Allgemeinen und Leichen im Speziellen
hatten die Teilnehmer ihr Wissen erweitern können, auch der Blick für die
Veränderungen der Kulturlandschaft durch Erosion und Bewirtschaftung war bei
den Teilnehmern von Dr. Brunk geschult worden. Die Einschätzung der
Teilnehmer: "Rund um Leichen - rundum gelungen"!
Photos: Joachim Beuck,
Karsten Brunk, Ute Veit
Ute Veit/Karsten Brunk
Der Rodheimer Geschichts-
und Heimatverein e.V.
trauert um seine langjährige Vorsitzende und
sein Ehrenmitglied
Doris Fischer
verstorben am 20.3.2012
Ihr Engagement für die Rodheimer
Ortsgeschichte,
ihre kompetente Führung des Vereins,
ihr Einsatz für die Integration ausländischer Mitbürger,
ihre Loyalität, Disziplin und Kommunikationsfähigkeit
haben ihr große Wertschätzung entgegen gebracht
und sind für uns vorbildlich und verpflichtend.
In freundschaftlicher Verbundenheit
Der Vorstand
Dr. Karsten Brunk
Unsere Doris Fischer ist am 20. März 2012 im 72. Lebensjahr verstorben!
Ja, ich sage bewusst
unsere Doris, denn ich spreche hier nicht nur für den Rodheimer
Geschichts- und Heimatverein (in der Folge kurz: Geschichtsverein) sondern
insbesondere für dessen Vorstand, der
diesen Verein gemeinsam mit Doris in den vergangenen Jahren immer in
freundschaftlicher Verbundenheit geleitet und vorangebracht hat. Doris
Fischer war nicht nur Mitglied in diesem Vorstand, sondern noch vieles mehr,
was durch die ihr im März 2007 verliehene Ehrenmitgliedschaft nur
andeutungsweise zum Ausdruck gebracht werden kann. Ich möchte deshalb einen
kurzen Abriss ihres Wirkens im Geschichtsverein und für die Rodheimer
Ortsgeschichte geben.

Doris Fischer war seit
der Vereinsgründung im März 1982 Mitglied des Rodheimer Geschichtsvereins.
Diesem Stand damals der Initiator der Vereinsgründung, Hermann Fornoff, bis
zu dessen frühem Tod im Dezember 1986 vor. Als in dieser prekären Lage
niemand aus dem verbliebenen Vorstand den Vorsitz übernehmen wollte, war
Doris Fischer Anfang 1987 bereit nicht nur einen Vorstandsposten zu
übernehmen, sondern zum gleichen Zeitpunkt auch als Vorsitzende zu
kandidieren. Trotz ihrer Bedenken, dass sie "[als] Frau ohne jegliche
Erfahrung in Vereinsarbeit und mit rudimentären Geschichtskenntnissen für
alle Vorstands- und Vereinsmitglieder akzeptabel war", wurde sie als
Vereinsvorsitzende gewählt.
Und das war eine
wirklich gute Wahl, denn immerhin hatte Doris Fischer dieses Amt 20 Jahre
lang, bis zum März 2007 inne. Bei der ausgezeichneten und engagierten
Amtsführung, die ich persönlich seit 1995 als Mitglied im Vorstand
wahrnehmen konnte, kam ihr sicher auch zu gute, dass sie eine
"führungsstarke" Frau war, wenn auch bei ihrer Wahl 1987 ein älteres
Vereinsmitglied skeptisch äußerte, "...ich habe Dich gewählt, obwohl Du eine
Frau bist!"
Aber dieses Mitglied
hatte auch gesagt, weshalb er Doris Fischer gewählt hatte, nämlich weil sie
Rodheimerin war. Und genau durch diese "Qualifikation" konnte sich das
entfalten, was für den Verein und natürlich auch für alle Rodheimer ein
großer Gewinn werden sollte. Ich meine hier ihre besondere Vertrautheit mit
Rodheim, mit den Rodheimern - egal welcher Herkunft und Religion - und mit
der jüngeren Rodheimer Geschichte seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Ihr
besonderes Interesse galt dem Alltagsleben in der Dorfgemeinschaft im
historischen Kontext. Mit ihren Arbeiten darüber hat sie weit mehr als die
von ihr selbst nur als rudimentär eingeschätzten Geschichtskenntnisse
bewiesen. Ihre Beiträge sind von überaus großem Wert für die Rodheimer
Geschichtsschreibung.
Ich darf die
wichtigsten, größtenteils inzwischen gedruckten Arbeiten erwähnen:
Ende April 1992 hielt
Doris Fischer die Festansprache anlässlich des 150-jährigen Bestehens des
Rodheimer Gesangvereins. Im Jahr 2000 erschienenen in den Rodheimer Heften
die von ihr bearbeiteten und erläuterten Aufzeichnungen zu den Verhältnissen
in Rodheim während des 1.Weltkrieges.
Besondere Anerkennung,
diese auch weit über Rodheim hinaus, gebührt ihr für die herausragenden
Beiträge zur Aufarbeitung der Geschichte und des Schicksals der jüdischen
Gemeinschaft in Rodheim. Diese jahrelang zusammengetragenen
Forschungsergebnisse konnten schließlich im entsprechenden Themenband der
Rodheimer Hefte, mit dem Titel "300 Jahre jüdisches Leben in Rodheim vor der
Höhe", veröffentlicht werden.
Neben den umfangreichen
Vorbereitungen des Vereins zum Ortsjubiläum 2005 recherchierte sie für die
Festschrift die historischen Geschehnisse um das "Wasser aus dem Ketzerborn"
im Jahre 1848. An der inhaltlichen und praktischen Gestaltung der
aufwendigen Ausstellung "Aspekte Rodheimer Geschichte" war sie natürlich
maßgeblich beteiligt, und der Katalog der Ausstellung wurde mit ergänzenden
Textbeiträgen von ihr zur Kindheit und Schulzeit sowie zum dörflichen Alltag
in Rodheim bereichert. Zum 25-jährigen Vereinsjubiläum im Jahr 2007
dokumentierte sie die ersten Jahrzehnte der Vereinsgeschichte in einem
Vortrag bei der Jubiläumsfeier.
Der lange vorbereitete
Rückzug als Vereinsvorsitzende im Februar 2007 hat das Engagement von Doris
Fischer keineswegs gemindert, weder bezüglich der historischen Erforschung
noch bezüglich der sonstigen Vereinsprojekte. Längst waren weitere
historische Themen in Angriff genommen worden. Bereits im November 2007
referierte sie über das tödlich endende Pistolenduell eines Rodheimers im
Jahr 1897.
Ihr besonderer
"Quellenzugang" zu den Rodheimern und dem Leben seiner Bewohner trug dann
wieder reife Früchte im nächsten Vortrag mit dem Titel "Zuflucht, nicht
Heimat - Zur Integration der Heimatvertriebenen in Rodheim v.d.Höhe", den
sie am 19. November 2010 vor einer das Fassungsvermögen des Vortragsraums
sprengenden Zuhörerschaft präsentierte.
Niemand konnte zu diesem
Zeitpunkt ahnen oder sich überhaupt vorstellen, dass dies damals ihr letzter
Vortrag sein würde. Denn die Recherchen zum nächsten Thema, dem
Genossenschaftswesen in Rodheim, waren bereits im Gange. Was die
Veröffentlichung ihres letzten Vortrages (Zuflucht, nicht Heimat) anbelangt,
hatte Doris Fischer mit der Überarbeitung ihres Vortragsmanuskriptes
begonnen, diese aber seit Mitte letzten Jahres nicht weiter verfolgen können.
Glücklicherweise war es aber dann im Januar/Februar dieses Jahres möglich,
die Fortführung und den Abschluss dieser Überarbeitung gemeinsam mit ihr
vornehmen zu können. Dieser Beitrag wird im nächsten Band der Rodheimer
Hefte erscheinen, dessen Druck für Ende des Jahres vorgesehen ist.
Neben diesem
außergewöhnlichen Engagement für die Erforschung der Ortsgeschichte, die
zugleich den enormen zukünftigen Verlust diesbezüglich offenbart, steht der
Name Doris Fischer auch für ein besondere Veranstaltung, nämlich das
Internationale Freundschaftsfest. Dank ihrer gut gepflegten Kontakte zu
unseren ausländischen Mitbürgern hat sie nicht nur wichtige Brücken zur
Integration gebaut, sondern auch die alljährliche Durchführung dieses Festes
sehr befördert.
Seit 2007/08, nun als
Vorstands- und Ehrenmitglied, hat sie bei der in Angriff genommenen
Umstrukturierung der Vereinsräumlichkeiten und des Gemeindearchivs immer als
vorbildlicher Motor gewirkt. Dies wurde uns als Vorstand spätestens seit dem
Sommer letzten Jahres nicht nur bei den konkreten Vereinsaktivitäten
deutlich. Ihre Abwesenheit in unserem sehr freundschaftlich verbundenen
Vorstand hat uns einige male den gewohnten Schwung genommen.
Bezüglich der
freundschaftlichen Verbundenheit, was auch die Familien der
Vorstandsmitglieder mit einschließt, erinnern wir uns sehr gerne an die
gemeinsamen Grillfeste bei Ute im Garten und die Restaurantbesuche zum
Gansessen alljährlich im November oder zu sonstigen Anlässen. Als besonders
schönes Familienfest bleibt uns die Rheintour anlässlich der 70. und 80.
Geburtstage von Doris und Karl Fischer im Juli 2010 in Erinnerung.
Trotz der
krankheitsbedingten Umstände waren die Besuche in den letzten Monaten bei
ihr im Katharinen-Hospiz immer eine wohltuende und bereichernde Erfahrung.
Bei jedem Besuch, seien es ein, zwei oder gar bis zu drei Stunden gewesen,
war ihre rege und interessierte geistige Präsenz bestechend, sodass wir sie
bis zum Schluss indirekt auch in die Vereinsaktivitäten einbinden konnten.
Neben der ausgezeichneten und von ihr sehr geschätzten Betreuung durch das
Hospizpersonal, hat ihr dies sicher auch gut getan. Doris hat ihre Situation
in den letzten Wochen auf bewundernswerte Art und Weise angenommen und
konnte so auch in Frieden gehen.
Für ihre Familie, für
all jene die sie kannten, für den Rodheimer Geschichts- und Heimatverein und
vor allem auch für Rodheim hat sie Großes geleistet. Wir werden ihr ein
ehrendes Andenken bewahren.
Dr. Karsten Brunk
für den Rodheimer Geschichts- und Heimatverein und dessen Vorstand