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24.01.2009

Rodheimer Gemeindearchiv auf dem Weg in den Computer

Rodheimer Geschichts- und Heimatverein (RGHV) sortiert historisches Archivgut für die digitale Erfassung

Seit November 2008 herrscht Samstag morgens eifrige Betriebsamkeit im Rodheimer „Faselstall“ hinter dem Alten Rathaus. Dr. Karsten Brunk, Vorsitzender des RGHV, und sechs weitere ehrenamtliche Helfer sichten hier alte Akten, notieren deren Inhalte und versuchen, die unendlich vielen Aktenmeter mit einer Systematik zu versehen. Ziel ist es, die in Originalakten dokumentierte Rodheimer Geschichte von 1583 bis zur Gemeindereform 1972 chronologisch und thematisch aufzulisten, um sie für eine Erfassung per Computer aufzubereiten. 

Dieter Mehring hat sich ein Aktenbündel vorgenommen, das die Haushaltspläne von 1828 bis 1837 enthalten soll. „Nanu, was ist denn das?“, fragt er erstaunt. Eine Rückstandsliste zu Holzlieferungen aus dem Jahr 1934 hat sich dazwischen geschmuggelt. Außerdem Testaments- und Hypothekenangelegenheiten, eine Versteigerungssache und Gerichtsbescheide von 1850. „Es kommt häufig vor, dass Vorgänge nicht dort abgelegt wurden, wo sie unserer Meinung nach hingehören“, sagt der Ehrenamtliche. „Seht mal, was ich hier gefunden habe“, ruft in diesem Moment Doris Fischer von einer der hinteren Regal-Ecken. Es ist ein Flurbuch vom Hofgut Beinhards mit Notizen aus dem Jahr 1811. Eigentlich hatte sie nach Unterlagen zu ihrem Spezialgebiet gesucht – die jüdische Bevölkerung in Rodheim einerseits und die Zeit der Duelle andererseits. Nun strahlen Mehrings Augen. „Der Beinhardshof ist die letzte adlige Besitzung in unserer direkten Nachbarschaft. Von den Unterlagen über das Adelsgeschlecht können wir vieles zur Rodheimer Geschichte ableiten“, erklärt er. Die Gruppe ist froh darüber, Mehring mit dabei zu haben. „Er kann all die alten Schriften lesen, das ist für uns sehr wertvoll“, sagt Ute Veit, die sich der Entschlüsselung von Bauakten angenommen hat.

Bilder: Das Flurbuch vom Beinhardshof ist für Karsten Brunk, Dieter Mehring und die Diplom-Archivarin Christiane Kleemann ein besonders wertvoller Fund. Da wird das Blättern in den Haushaltsplänen gern einmal kurz unterbrochen (Bild links). In Samt gehüllt, doch nur eine Kopie ist diese alten Siegel-Urkunde aus Rodheims Archiv, die Karsten Brunk, Doris Fischer, Joachim Beuck und Dieter Mehring hier zeigen (Bild rechts).

Jeder hat hier seinen Bereich, in dem er sich besonders gut auskennt. Joachim Beuck beschäftigt sich mit dem Thema Zeit und Kirchturmuhren, Karsten Brunk widmet sich den historischen Flurkarten und Gemarkungsgrenzen, und Margot Mehring hält die Kasse zusammen oder sorgt für das leibliche Wohl des Teams. „Wir sind eine schöne Einheit“, freut sich Ute Veit. Durch die gegenseitige Hilfe sei es möglich, auch komplizierte Themen voranzubringen. Etwa 30 Prozent der Unterlagen sind bereits gesichtet und – mit einer Inhaltsübersicht versehen – in die Regale zurückgelegt worden. „Zunächst einmal wird nichts in den Aktenbündeln verändert“, erklärt Christiane Kleemann. Die Diplom-Archivarin kommt alle zwei bis drei Wochen dazu, um Rat und Hilfe bei der Erfassung des Materials zu bieten. „Für Archive gibt es eine spezielle Computer-Software, die wir als Grundlage für unsere Arbeit in Rodheim verwenden können“. Seit Mitte Januar steht dafür ein PC-Arbeitsplatz in der neuen Geschäftsstelle des Geschichts- und Heimatvereins zur Verfügung, auf dem die Daten erfasst werden. „Hier lagert eine Fülle von Schätzen, die wir uns erschließen und der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen“, sagt Karsten Brunk. 

Er erinnert daran, dass mit diesen Schätzen nicht immer so sorgsam umgegangen wurde, wie sie es verdient hätten. „Nach dem Zusammenschluss von Rodheim mit Ober- und Niederrosbach 1972 wurde das Rodheimer Archiv auf offenen Anhängern nach Rosbach gekarrt“, erinnert sich Doris Fischer. Mehrfach sei es umgelagert worden, „nicht immer sachgerecht“. Im ehemaligen Bauhof in Ober-Rosbach, von wo die Rodheimer sich ihre Geschichte 1985 in Privat-PKWs zurückholten, wären Vögel und Mäuse durch die zerbrochenen Fensterscheiben ein- und ausgegangen. Angenagte Aktenordner und unliebsame Hinterlassenschaften der ungebetenen Gäste wären die Folge gewesen. Einige Unterlagen habe man inzwischen mit hohem Kostenaufwand restaurieren können, aber erst, wenn „die Entdeckungsreise im Archiv“ beendet sei, kenne man den wahren Umfang der erforderlichen Maßnahmen. 

Joachim Beuck geht zum Regal, in dem die Bürgermeister-Rechnungen fein säuberlich aufgereiht sind. „Das sind die einzigen Akten, die gut sortiert sind, und die uns deshalb eine große Hilfe sind“, sagt er. In der Hand hält er das älteste vorhandene Dokument, eine Original-Rechnung aus dem Jahr 1583. „Anhand solcher Daten können wir die Rodheimer Geschichte wunderbar nachverfolgen“, erläutert Karsten Brunk. Wann immer ein Handwerker für irgendeine Leistung zu entlohnen war, wurde das hier vermerkt. Uhren-Spezialist Beuck ergänzt schmunzelnd: „Die Kirchturmuhr wäre vermutlich kaum erwähnt worden, wenn sie nicht hin und wieder kaputt gegangen wäre“. Und Brunk, der Flurkarten-Fachmann, sucht nach Rechnungen, in denen ein Geometer für die Erstellung einer neuen Flurkarte bezahlt wurde. „Eine neue Flurkarte bedeutet meist, dass ein Streit um den Grenzverlauf vorangegangen war“. Mit solchen Verknüpfungen arbeiten die Rodheimer Historiker sich Schritt für Schritt durch ihre Geschichte hindurch. „Eine Tages werde ich einfach in den Datenbestand hineingreifen und auf Anhieb finden, was ich suche“, hofft der Vereinschef. Noch ist es bis dorthin aber ein weiter Weg. (E. Halaczinsky).