Exkursion/Führung

am

09.09.2017

Kasematten, Staufenmauer und Römer

RGHV Exkursion zu archäologisch-historischen Höhepunkten in Frankfurt am 9. Sept. 2017

In den Jahren 2008 bis 2011 baute die Waisenhausstiftung, eine über 300 Jahre alte Frankfurter Institution, die sich auch heute noch um die Belange benachteiligter Kinder und Jugendlicher kümmert, ein neues Verwaltungs- und Betreuungszentrum in der Bleichstraße. Bei den Erdarbeiten stieß man auf Reste einer barocken Verteidigungsanlage, Teil des ehemaligen Befestigungsrings um Frankfurt, der im 17. Jahrhundert erbaut und im frühen 19. Jahrhundert wieder geschleift worden war. In diesem Teil des Befestigungsrings, Friedberger Bastion genannt, stieß man auf eine unterirdische Galerie, wie sie nach bisherigen Erkenntnissen wohl nur in diesem Bereich der Befestigung zu finden ist.

Diese Galerie – Kasematten genannt (von ital. ‚casamatta‘ = Wallgewölbe) – war das erste Ziel der Rosbach-Rodheimer Geschichtsvereinsgruppe. Nach der Bahnanreise wurde die Gruppe von Dr. Carsten Wenzel, dem derzeitigen kommissarischen Leiter des Archäologischen Museums Frankfurt und Vorsitzenden des Heimatgeschichtsvereins Rosbach, an der Konstablerwache willkommen geheißen. Nach kurzem Fußweg war die Bleichstraße 10 erreicht, das Gelände der Waisenhausstiftung, die vor Zeiten übrigens auch Äcker in Rosbach und Rodheim besessen hat.

Dem Engagement des Denkmalamtes Frankfurt und der Bereitschaft der Waisenhausstiftung, das Bauvorhaben den Gegebenheiten der neu entdeckten Bodenfunde anzupassen, ist es zu verdanken, dass ein Teil der Friedberger Bastion dem Besucher von der Gartenseite des Anwesens zugänglich ist und die Kasematten über Außentreppen betreten werden können.

Über den Resten der Friedberger Bastion in den Wallanlagen
Dr. Carsten Wenzel zwischen Jupitersäulen im Archäologischen Museum

In den Kasematten angekommen, erschloss sich ein etwa 40 m langer und 4 m hoher beeindruckender Gewölbegang. Schießscharten belegen die ursprünglich geplante Nutzung. Carsten Wenzel wusste viele Fakten und Geschichten zu berichten. So auch, dass das aufgegebene Gewölbe – obwohl später aus unerklärlichen Gründen zu 2/3 mit Schutt aufgefüllt – im 2. Weltkrieg den Anwohnern als Schutzraum diente und bei einem Angriff durch Kohlenmonoxidbildung über 20 Tote zu beklagen waren. Nach der Wiederentdeckung der Kasematten, die nach dem 2. Weltkrieg in Vergessenheit geraten waren, wussten einige Zeitzeugen oder deren Nachkommen davon zu berichten.

Wieder an der Oberfläche, konnte Dr. Wenzel anhand von Informationstafeln die Entwicklung der Frankfurter Stadtbefestigungen erklären. Dazu gehören die ältesten noch sichtbaren Reste des erhaltenen Befestigungsringes, die Staufenmauer, die das nächste Ziel unserer Gruppe war. Um 1200 erbaut, umschloss die Staufenmauer das Gebiet der Frankfurter Altstadt.

Bei einem kurzen Halt im Dom machte uns Carsten Wenzel auf die Lage der 1992 ausgegrabenen fränkisch-merowingischen Bestattung eines adligen Mädchens aufmerksam. Auf das Grab weist heute eine Sandsteinplatte im Boden hin. Das Mädchen war etwa 5-jährig mit hochwertigen Beigaben in einer Vorgängerkirche des Doms bestattet worden. Die exponierte Lage des Grabes in der Längsachse des Doms unterstreicht die wohl herausragende Stellung des Kindes, dessen Grab möglicherweise eine Pilgerstätte war. Die Leiterin des Frankfurter Denkmalamtes, Dr. Andrea Hampel, hatte 2015 in einem Vortrag im Rodheimer Forum Faselstall hierüber berichtet.

Vorbei an der noch nicht abgeschlossenen Überbauung des römerzeitlich-mittelalterlichen Archäologischen Gartens, ging es weiter ins Foyer des erneuerten Historischen Museums. Hier konnte ein Stück der Kaimauer des mittelalterlichen Mainhafens besichtigt werden, der bei den Bauarbeiten gefunden und freigelegt wurde.

Nach dem Mittagessen im Steinernen Haus war das Archäologische Museum das Ziel des Nachmittags. Vom „Hausherrn“ geführt, erfuhren die Teilnehmer aus erster Hand viel Neues nicht nur über das römische Nida, das im Bereich des heutigen Heddernheim liegt. Die hervorragende museale Präsentation der Museumsstücke in der ehemaligen Karmeliterkirche wurde von der überaus engagierten und kenntnisreichen Führung noch übertroffen. Herzlichen Dank an Carsten Wenzel für diesen Tag in Frankfurt.