Vortrag

am

08.11.2018

Vortrag „Schicksale und Lebenswege jüdischer Familien in Rodheim“

Anders als in den meisten Orten des Deutschen Reichs fand die sog. „Reichskristallnacht“ in Rodheim erst einen Tag später, nämlich am Nachmittag des 10. November 1938 statt. Die Auswirkungen für die wenigen noch verbliebenen ortsansässigen Juden, die bis dahin Haus an Haus mit ihren nichtjüdischen Nachbarn gelebt hatten, waren jedoch nicht weniger dramatisch. In einem sorgfältig recherchierten Vortrag berichtete Dr. Karsten Brunk, Vorsitzender der Rodheimer Geschichts- und Heimatvereins (RGHV) vor 40 Interessierten über die Schicksale jener, denen nicht die rechtzeitige Ausreise in außereuropäische Länder gelungen ist. Denn mit ca. 30 Personen ist knapp die Hälfte der ehemals in Rodheim lebenden jüdischen Mitbürger im Holocaust umgekommen. Die letzten 3 Familien hatten nach dem Novemberpogrom spätestens im Frühjahr 1939 Rodheim verlassen. Nach diversen Zwischenstationen, vor allem in Frankfurt, waren sie 1942 „nach Osten“ deportiert worden. Dort gelten einige als verschollen, die meisten wurden in Konzentrationslagern ermordet.

„Eine Familie wurde sogar komplett ausgelöscht“, sagte der Referent. Namen wie Stern, Borngässer und Levi, aber auch Simon oder Strauß waren damals im Adressbuch von 1926 zu finden. Schon vor über dreißig Jahren hatte Brunks Amtsvorgängerin Doris Fischer das Thema Judenverfolgung in Rodheim aufgegriffen und Kontakte zu den Überlebenden oder deren Nachkommen geknüpft. Nicht selten lagen viele tausend Kilometer zwischen Rodheim und dem jetzigen Heimatort ihrer Ansprechpartner. Brunk: „Doris Fischer war rundum mit dem Thema vertraut und lieferte viele wertvolle Beiträge über das Schicksal der einstigen Mitbürger.“

Auch Ex-Bürgermeister Alwin Biedenkapp widmete sich dem Thema Juden in Rodheim. Sein in Mundart geschriebenes Werk „Roaremer Jurre“ ist voll von Informationen über die jüdischen Familien und die Art und Weise des Zusammenlebens mit den übrigen Rodheimern. Wo haben die Juden in Rodheim gelebt, wer heiratete wen, welchem Beruf ging man nach, und wie sahen die Reaktionen der Juden und Nichtjuden aus, als der Druck des NS-Regimes und seiner oft willigen Gefolgsleute immer stärker wurde? Dies zeigte sich dann vor allem am Tag der „Judenaktion des deutschen Volkes“ im November 1938 mit seinen Plünderungen, Inhaftierungen und der vollständigen Zerstörung der Rodheimer Synagoge in der Wethgasse.

Brunk liegt es am Herzen, das Schicksal jener Menschen, die das Schreckliche erleben mussten, anderen nahe zu bringen. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass die Familienschicksale mit konkreten Örtlichkeiten (Häusern) verknüpft werden. So zum Beispiel bei der Schilderung der Pogromattacken gegen die angesehene Familie der Lederhandlung David Stern in der Wethgasse. Der Vortrag hinterließ viele nachdenkliche und bedrückt wirkende Zuhörer.