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Frankfurter Messegeleit und die Geleitstraßen in der Wetterau

Frankfurt wurde seit dem späten Mittelalter zu einer prosperierenden Handelsstadt. Die Stadt war verkehrsgünstig gelegen an den dort kreuzenden Fernstraßen und hatte über Main und Rhein großräumige Anbindungen zu den wichtigsten Wirtschaftsräumen der damaligen Zeit. Zunächst wurde eine Herbstmesse abgehalten, seit Anfang des 14.Jahrhunderts auch eine Frühjahrsmesse, beide jeweils eine Herausforderung für die Organisationsstrukturen der Stadt, kamen doch zu den Messen oft mehr Menschen, als Frankfurt damals Einwohner zählte.

Bereits 1240 gewährte Kaiser Friedrich II. in zunehmend unsicheren Zeiten mit einem Messeprivileg ein Schutzgeleit für alle Reisenden zur dortigen Messe, das heißt, die Sicherheit auf bestimmten festgelegten Straßen, den Geleitstraßen, für Leib und Leben der Handelsreisenden und deren Ware wurde zugesichert. Die Geleitshoheit wurde den Landesherren übertragen, von diesen meist an deren Amtsleute delegiert, die den bewaffneten Geleitschutz mit Ross und Reitern und die dazugehörende Versorgungslogistik im jeweiligen Herrschaftsgebiet umzusetzen hatten. Wichtig war zudem, dass die begleiteten Kaufmannszüge auch jeweils an die richtige Zollstelle geführt wurden, nur durch die Zölle rechnete sich der Aufwand für die Landesherren, deckte doch das abzuführende Geleitsgeld häufig nur die Unkosten.

Der Referent hatte ein Füllhorn von Karten, Zeichnungen und Bildern mitgebracht, die einen Einblick in das Geleitswesen gaben und auch die wochenlangen Einflüsse auf das Leben der Menschen in den betroffenen Verkehrsräumen und den anliegenden Orten beleuchteten. Die großen Geleitsstraßen verliefen von Nürnberg, von Augsburg/Ulm, von Basel/Straßburg, von Köln, von Leipzig/Erfurt und von den Hansestädten im Norden nach Frankfurt. Letztere streifte auch Kassel, Marburg und Friedberg und führte so durch die Wetterau. Die Geleitstrecken durch die Wetterau wurden bereits auf einer Karte aus dem Jahr 1512 dokumentiert, die Karten wurden später verfeinert, die letzte bekannte Karte datiert aus den Jahren 1790-1792. Das Wetterauer Geleit oblag seit Mitte des 16. Jahrhunderts den Landgrafen von Hessen-Darmstadt.

Text: Ute Veit, Foto: Carine Brunk

Historische Betrachtungen über den Wolf im Taunus

Wolfgang Ettig aus Treisberg, Buchautor, Träger des Saalburgpreises 2021 und Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der Geschichts- und Heimatvereine des Hochtaunuskreises, referierte im evangelischen Gemeindehaus „Arche“ zur Geschichte des Wolfes, zur Entwicklung der Wolfspopulationen im Taunus und in der Wetterau in vergangenen Jahrhunderten bis in unsere Zeit und über die Bedeutung des Wolfes für die Menschen. Die Präsenz des Wolfes im Bewusstsein der Bevölkerung zeige sich nicht nur in seinem Namen, so der Referent schmunzelnd, sondern auch in zahlreichen Flurbezeichnungen vieler Gemeinden. In Rodheim finden wir u.a. den Wolf-Garten, die Wolfslache und die Wolfsgraben-Landwehr.

Am 23. Januar 1841 war der letzte Wolf in unserer Region erlegt worden.

In den Jahrhunderten davor war unsere Region lange „Wolfsland“, die Populationsstärke immer abhängig vom jeweiligen Nahrungsangebot, und das war umso besser je mehr kriegerische Auseinandersetzungen es gab, boten doch Schlachtfelder den Tieren einen reich gedeckten Tisch! Der 30-jährige Krieg steht hierfür beispielhaft. Die Wölfe wurden zunehmend zur Landplage. Zu deren Bekämpfung, auch durch Bejagen, waren die Untertanen aufgefordert und zu Zeiten verpflichtet, war die Jagd doch sonst nur dem Adel vorbehalten. Immense Zahlen an Wolfstötungen berichten historische Unterlagen, die aber teils angezweifelt werden müssten, so Ettig.

„Wölfe haben immer schon eine besondere Faszination auf den Menschen ausgeübt und auch seine Fantasie angeregt, doch auch die Furcht vor ihm sitzt tief“.

Das Publikum hörte einen facettenreichen Vortrag, der einen Bogen von mythologischen Erzählungen, über die Dämonisierung des Wolfes ­– die auch im Rahmen der Hexenverfolgungen ihren Ausdruck fand –, die Bedrohung der Bevölkerung durch Problemtiere und die Dezimierung der Wölfe bis hin zu ihrer Ausrottung in unserer Region spannte. Auch die Neu-Einwanderung einzelner Wölfe und Rudel in unser Gebiet in den letzten Jahren und deren Bedürfnisse sowie ihre Stellung im Ökosystem wurden beleuchtet. Das Foto einer Wildkamera vom Januar 2024 zeigt einen Wolf im Rodheimer Oberwald. Der Wolf ist zurück!

Text: Ute Veit, Foto: Carine Brunk

Rodheim am Äquator

Dr. Brunk erläuterte zunächst die Wetterausenke als die nördliche Fortsetzung des Oberrheingrabens, des etwa 300 km langen und bis zu 40 km breiten Grabenbruchs zwischen Basel und Frankfurt am Main. Die Gesteine des angrenzenden Taunus waren ehemals in einem Meeresbecken abgelagert und anschließend als Teil des Rheinischen Schiefergebirges aufgefaltet und zu Schiefer und Quarzit umgewandelt worden. Wesentlich jünger ist der Vogelsberg-Vulkan, dessen ausgedehnte Basaltdecke das größte geschlossene Basaltmassiv in Europa ist. Seine Entstehung, wie auch die Heraushebung des Taunus als Mittelgebirge, steht in Zusammenhang mit dem Einbruch des Oberrheingrabens im Erdzeitalter des Tertiärs.

Zum Verständnis der langwierigen und großräumigen erdgeschichtlichen Entwicklung ging Karsten Brunk auch auf die Theorie der Plattentektonik ein. Die Erdplatten „schwimmen“ quasi auf dem Erdmantel und können sich wie Meereisschollen aneinander vorbei-, voneinander weg- oder aufeinander zubewegen und dabei kollidieren. Die Umrisse und die Lage der Erdplatten auf dem Globus unterlagen dadurch im Laufe der seit mehreren 100 Millionen Jahren rekonstruierten Entwicklung einem vielfältigen Wandel. Der Referent hat es fertiggebracht unsere Heimatregion während dieser Zeitreise von der Südhalbkugel bis ins heutige Mitteleuropa zu lokalisieren und zu verfolgen, und wahrhaftig, hätte es Rodheim vor 300 Mio. Jahren schon gegeben, es hätte nahe am Äquator gelegen!

Waren die natürlichen Veränderungen im Laufe der Erdgeschichte langwierige Prozesse, nahm das Geschehen nach der letzten Kaltzeit im Holozän Fahrt auf. Mit dem Beginn der Sesshaftwerdung des Menschen in der Jungsteinzeit kam es durch die zunehmende landwirtschaftliche Nutzung, später durch den Abbau notwendiger Rohstoffe, sei es zur Material- oder zur Energiegewinnung, zu gravierenden Umbauprozessen der Natur- zur Kulturlandschaft.

Die Wetterau gehört als klimatisch günstig gelegene und fruchtbare Region dabei zu den bereits besonders früh besiedelten Gebieten. Die Dynamik der Veränderungen steigerte sich mit Beginn der Industrialisierung vor etwa 200 Jahren und hat sich in den letzten Jahrzehnten weiter beschleunigt. Auffallend leise wurde es im großen Auditorium, als der Referent die fatalen Auswirkungen der immer stärker werdenden menschlichen Einflussnahme auf Natur und Umwelt im lokalen, wie im globalen Bezug darstellte. Wir sind im Anthropozän angekommen, einer Epoche, in der der Mensch zur wichtigsten formenden Kraft auf unserem Planeten geworden ist.

Das Kriegsende 1945 in der Wetterau

Obwohl sich die deutsche Wehrmacht im Frühjahr 1945 durch das Vorrücken amerikanischer Truppen zunehmend auf dem Rückzug und in Auflösung befand, sah sich die Bevölkerung der Taunusregion und der Wetterau auch nach der Besetzung ihrer Heimat durch die Amerikaner weiteren Kampfhandlungen ausgesetzt. Reste der stark geschwächten aber weiterhin kampfbereiten 6. SS-Gebirgsdivision „Nord“, mit der sich Ulf Wachsmuth eingehend beschäftigt hat, zogen in den letzten Märztagen um Ostern 1945 vom Taunus kommend in Richtung Büdingen. Wenige Tage später wurden sie im Raum Kefenrod von amerikanischen Truppen endgültig zerschlagen. Auf ihrem Weg hinterließen sie jedoch noch einmal eine Spur der Gewalt, es gab zahlreiche Opfer unter Soldaten und Zivilisten. Ursprünglich war diese Division der Waffen-SS in Finnland eingesetzt gewesen und auf ihrem Rückzug im Westen bereits erheblich dezimiert worden.

Ob die im Rodheimer Wald zwischen dem 31. März und dem 1. April zu Tode gekommenen acht Soldaten Opfer dieser Truppe wurden, ist ungewiss. Sie waren erschossen am 2. April 1945 von einem Kraftfahrer, der Holz aus dem Wald holen wollte, gefunden worden. Ähnliche Vorkommnisse gab es in den Nachbargemeinden Ober Rosbach und Köppern, auch in Ockstadt. Die Toten wurden auf den jeweiligen Gemeindefriedhöfen bestattet, die Ruhestätten als Kriegsgräber gekennzeichnet. Die in Rodheim Bestatteten konnten bis auf einen Soldaten namentlich identifiziert werden. Auffallend ist, dass zumindest die im Rodheimer Wald aufgefundenen Soldaten verschiedenen Truppenteilen angehörten, so dass davon ausgegangen werden kann, dass hier Menschen versuchten, in den ausgehenden Kriegswirren ihre Heimatregionen zu erreichen.

Hölzerne Grabkreuze der im Rodheimer Wald getötene Soldaten auf dem Rodheimer Friedhof

Sieben der in Rodheim bestatteten Soldaten wurden 1966 auf den Kriegsgräberfriedhof in Ulrichstein im Vogelsberg umgebettet. Die Grabstätte von Fritz Lösner blieb in Rodheim und befindet sich heute südlich der alten Trauerhalle.

Ulf Wachsmuth hat in Zusammenarbeit mit dem Buchautor Dr. Roland Krebs („Die letzte Schlacht im Taunus“) eine Fülle von Informationen zusammengetragen und dem zahlreich erschienenen Publikum die tragischen Ereignisse der letzten Kriegstage 1945 lebendig werden lassen.

Das Rodheimer Schöffengericht im Mittelalter und in der frühen Neuzeit

Zunächst stellte der studierte Jurist die Grundlagen der modernen Rechtsstaatlichkeit, wie das vom Staat geschaffene verbindliche Recht, das staatliche Gewaltmonopol und die Gewaltenteilung vor, um den Unterschied zum mittelalterlichen Recht deutlich zu machen. Dieses war dadurch gekennzeichnet, dass die Gerichte mit Laien besetzt waren, die meistens weder lesen noch schreiben konnten. Entschieden wurde nach mündlich überlieferten Rechtsgewohnheiten, dem „alten Herkommen“. Erst ab dem 13. Jahrhundert wurde damit begonnen, die angewendeten Rechtsgrundsätze aufzuschreiben.

Besetzt waren die Gerichte mit Schöffen, deren Aufgabe es war, zu urteilen, das heißt, die Gerichtsentscheidung zu fällen. Der Richter – meist der Graf oder als dessen Vertreter der Schultheiß – leitete lediglich die Verhandlung, verkündete die Entscheidung und hatte die Umsetzung des Urteils zu verantworten.

Die älteste Urkunde, die das Gericht in Rodheim erwähnt, wurde 1305 ausgestellt. Beuck konnte darstellen, dass das Gericht aber schon vor 1255 existiert haben muss. Es tagte am Marktplatz „unter dem Spielhaus“, also in dem offenen Raum im Erdgeschoss des ehemaligen Rodheimer Rathauses. Bei schwierigen Fällen oder wenn sie uneinig waren, holten sich die Rodheimer Schöffen Rat beim Friedberger Stadtgericht.

Das Rodheimer Gericht war ein Hochgericht, das im Unterschied zu einem Niedergericht auch Körperstrafen verhängen konnte, bis hin zur Todesstrafe, was der Referent am Fall des 1583 hingerichteten Wendel Buch konkret belegen konnte. Die Kosten, die für diese Hinrichtung angefallen waren, sind in der Rodheimer Bürgermeisterrechnung von 1583 detailliert aufgeführt. Anhand von historischen Karten konnte der Referent auch zeigen, wo sich die Hinrichtungsstätte befand. Sie lag neben der Landstraße am Lohgraben, also unmittelbar an der Grenze zur Nieder-Rosbacher Gemarkung.

Zum Schluss stellte der Referent noch kurz die mittelalterlichen Gerichtsbezirke vor, die unmittelbar an Rodheim angrenzten.

Johann Ludwig Christ (*1739 – †1813)

Johann Ludwig Christ – 10 Jahre Pfarrer in Rodheim

Vortrag von Joachim Beuck am 1. Oktober 2021

Er ist den Rodheimer Bürgerinnen und Bürgern weniger präsent, als beispielsweise in Kronberg im Taunus, wo er nach seiner Rodheimer Zeit tätig war. Johann Ludwig Christ, lutherischer Pfarrer in Rodheim von Weihnachten 1776 bis 1786 war eine Koryphäe seiner Zeit, der neben seinem Pfarrberuf zahlreiche oft mehrfach aufgelegte Schriften verfasste, die zum Teil noch lange über seine Lebenszeit hinaus als Standardwerke galten. Als Naturforscher galten seine Interessen dem Obstbau, der Bienenzucht, der Viehzucht allgemein und dem Ackerbau. Immer im Blick hatte er dabei die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln durch Optimierung von Anbau, Verarbeitung und Haltbarmachung und somit die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen.

Mindestens neun Fachbücher und Schriften entstanden in seiner Rodheimer Zeit, darunter eine „für jeden Landmann deutliche Anweisung zu dem erträglichen Tabaksanbau“. Die Entwicklung von Magazinhäusern für die Bienenzucht – weg von den bis dahin üblichen Stroh-Bienenkörben – und das Konzept für einen Dörrofen fallen in die Kronberger Zeit des „Pomologen“.

Nicht zuletzt betätigte er sich als Kirchenbaumeister, wozu ihn seine langjährigen mathematischen, geometrischen und zeichnerischen Studien befähigten, so gehen die Kirchen in Berkersheim, die 1766 erbaut wurde, sowie die 1884/85 errichtete Kirche in Harreshausen, beides Kirchen in der Grafschaft Hanau, auf seine Pläne zurück.

Geboren wurde Johann Ludwig Christ am 18. Oktober 1739 in Öhringen, besuchte in  Heilbronn das Gymnasium, nahm ab 1758 das Theologie-Studium in Tübingen und Altdorf auf. Er hatte ab 1764 die Pfarrstelle in Bergen inne (heute Bergen-Enkheim), wechselte 1767 nach Rüdigheim bei Hanau und von dort nach Rodheim. Zwei Mal verheiratet, musste er seine beiden Frauen zu Grabe tragen. Von seinen 6 Kindern erlebte nur die einzige Tochter das Erwachsenenalter.

Er starb 1813 in Kronberg.

Joachim Beucks intensiven Recherchen, u.a. in den Archiven der universitären Ausbildungsstätten, ist es zu verdanken, dass die Bedeutung des vormaligen Rodheimer Pfarrers allen Zuhörern bewusst wurde.

Sommer 1783 – Pfarrer Christ und der „Höherauch“ über Rodheim

Dr. Karsten Brunk berichtete über den Rodheimer Chronisten einer Naturkatastrophe.

Die Ausführungen von Joachim Beuck am 1. Oktober 2021 im Rodheimer Bürgerhaus hatten uns bereits mit dem Leben und Wirken sowie den wissenschaftlichen Interessen von Johann Ludwig Christ, der von 1776 bis 1786 in Rodheim lutherischer Pfarrer war, vertraut gemacht. Am 29. Oktober konnte Dr. Karsten Brunk hierauf aufbauen und darlegen, was es mit dem von Christ beschriebenen „Höherauch“ im Jahr 1783 auf sich hatte.

Eine Einstimmung in das Denken und die Vorstellungen des 18. Jahrhunderts gaben mehrere Schriften, die Christ verfasst hatte. Auch Luftverschmutzungen waren keineswegs unbekannt und waren von ihm als „ordentlicher Höherauch“ beschrieben worden. Meist waren diese Trübungen auf gezielt angelegte Torffeuer in Norddeutschland und den Niederlanden zurückzuführen, deren Aschepartikel sich großräumig ausbreiteten und einen schleierartigen Dunst vor das Sonnenlicht legten.

Anders im Sommer 1783. Bereits am 11. Juli 1783 begann Christ mit der Niederschrift eines noch im gleichen Jahr gedruckten Artikels mit dem Titel „Von der außerordentlichen Witterung des Jahres 1783 in Ansehung des anhaltenden und heftigen Höherauchs…“. Darin legte er seine Sichtweise über die Entstehung dieses vom Bekannten abweichenden atmosphärischen Phänomens dar – zutreffend und als einer der ersten Chronisten in Europa überhaupt.

Was war geschehen? Am 8. Juni 1783 hatte sich in Island eine Vulkanspalte aufgetan, die Laki-Kraterreihe. Damit verbunden war eine der größten Eruptionen der neueren Zeit mit einem extremen Ausstoß von Lava und Aschewolken, letztere bis in die Stratosphäre gelangend, in der sie v.a. nach Westeuropa getragen wurden und eine Verdunkelung der Atmosphäre verursachten. Die Eruptionen dauerten bis zum Februar 1784 an. Man schätzt, dass durch die unmittelbaren Folgen, die Missernten und das Viehsterben etwa eine Viertelmillion Menschen ums Leben gekommen sind.

Der Winter 1783/84 zeigte auch bei uns extrem tiefe Temperaturen, dem zahlreiche Hochwasserkatastrophen durch Schmelzwasser (Eishochwasser) im Frühjahr folgten. Höchste Wasserstandsmarken in flussnahen Städten zeugen davon.

Karsten Brunk als Geograph konnte dem Publikum die Materie spannend darlegen und die überregionale Bedeutung des Rodheimer Pfarrers Johann Ludwig Christ wurde Allen ein weiteres Mal bewusst.

Alwin Biedenkapp

Im Dezember 2020 wäre Alwin Biedenkapp, der letzte Rodheimer Bürgermeister, 100 Jahre alt geworden. Dieses Jubiläum hat dessen Tochter und RGHV-Vorstandsmitglied Ute Veit zum Anlass genommen, seinen Lebenslauf im Kontext der Zeitgeschichte und des Geschehens in der Dorfgemeinschaft zu rekonstruieren. Die Präsentation der Recherchen fand am 23. Oktober im Bürgerhaus Rodheim einen mit großem Beifall honorierten Zuspruch.

Ein herzliches Dankeschön unter „Corona-Bedingungen“ vom RGHV-Vorsitzenden Dr. Karsten Brunk für die Referentin Ute Veit

Familiäre Hintergründe und die ersten Lebensabschnitte im dörflichen Kontext standen am Anfang der Ausführungen. Dazu gehörten der Besuch der Kleinkinderschule und der Volksschule, sowie die Konfirmation im Frühjahr 1935, gefolgt von der knapp vierjährigen Lehre und Ausbildung zum Schriftsetzer in Friedberg. Nach nur wenigen Monaten der Berufstätigkeit als Maschinensetzer bestimmte dann ab dem Herbst 1939 der 2. Weltkrieg für 5 ½ lange Jahre das Schicksal des jungen Mannes als Soldat. Viele Stationen seines Kriegseinsatzes, die von der Bretagne bis in den Kaukasus reichten, hat Alwin Biedenkapp mit der eigenen Kamera dokumentiert und kritisch kommentiert – Zitat: „Der Größenwahnsinn kannte keine Grenzen mehr. Nachdenken durfte man darüber nicht. Wir saßen alle im gleichen Schiff, das von einem Irren gesteuert wurde. Aussteigen hätte ohnehin den Tod bedeutet“.

Bereits ein Jahr nach dem Kriegsende begann dann sein kommunalpolitisches Wirken im Dienste der Gemeinde Rodheim vor der Höhe – zunächst bis Ende 1960 als Kassenverwalter und anschließend bis 1972 als Bürgermeister. In der ersten Periode galt es zunächst die kriegsbedingten Herausforderungen in der Gemeinde zu bewältigen. Anschließend war er maßgeblich an der Realisierung von Großprojekten beteiligt, die Rodheim heute noch besonders prägen, wie das Schwimmbad und der Kindergarten mit Dorfgemeinschaftshaus. Besondere Anerkennung erwarb sich Alwin Biedenkapp ab 1961 in den 12 Jahren im Amt des Bürgermeisters, in denen er zahlreiche weitere Projekte angestoßen, begleitet und umgesetzt hat, wie z.B. die Errichtung der am 20. August 1966 eröffneten Mittelpunktschule – Erich Kästner-Schule. Das vielfältige und überaus engagierte öffentliche Wirken für seine Heimatgemeinde fand dann ein Ende mit dem Verlust der kommunalen Eigenständigkeit Rodheims im Jahr 1972 – ein Vorgang, der für Alwin Biedenkapp besonders schmerzlich gewesen war.

Vom Flecken zum Stadtteil

Das Forum Faselstall konnte die hereinströmenden Besucher kaum fassen, als Dr. Karsten Brunk, Vorsitzender des RGHV (Rodheimer Geschichts- und Heimatverein) am Freitag, dem 25.10.2019, seine Ausführungen zum oben genannten Thema begann.

Ausgangspunkt war die Fertigstellung der südlichen und östlichen Ringmauer als Befestigungswerk um Rodheim im Jahr 1619 – also vor 400 Jahren. Ein Teil davon ist noch erhalten und bildet heute die Ostwand des evangelischen Gemeindehauses „Arche“. Durch die neue Ringmauer war der mittelalterliche Ortskern um neue Siedlungsflächen entlang der Königstraße und der Pfortgasse erweitert worden. Die erste Befestigung des mittelalterlichen Ortskern hatte bereits 1362 begonnen. Damals gewährte Kaiser Karl IV dem Landesherrn Ullrich III von Hanau das Privileg, Rodheim durch Mauern und ein Grabensystem zu befestigen.

Erst lange nach dem 30-jährigen Krieg mit seinen Verlusten an Menschen, wurde wieder eine größere Erweiterung der Siedlungsfläche notwendig. Man plante und baute ab 1704 die nächste Vorstadt nordöstlich des Untertores.

Gespiegelt an historischen Ereignissen und der Entwicklung der Einwohnerzahlen spannte Karsten Brunk anhand historischer Pläne und Ansichten, als auch anhand einer Fülle von ihm erstellter neuer Topographien, einen Bogen der Ortsentwicklung von der frühen Neuzeit im 17. Jahrhundert bis in die heutige Zeit. Aus den Karten wurde vor allem die Erschließung neuer Siedlungsflächen in den Jahrzehnten bis zum 1. Weltkrieg sichtbar. Hierbei spielte auch die Anbindung Rodheims an das Eisenbahnnetz im Jahr 1901 eine Rolle. Die größte Dynamik setzte dann ab Mitte der 1950er Jahre ein, als Vertriebene und Flüchtlinge in Folge des 2. Weltkrieges in Rodheim sesshaft wurden. Der stärkste Bevölkerungszuwachs erfolgte dann in den 1960er Jahren, was eine erhebliche Ausweitung der Siedlungsfläche erforderte.

Anhand von Daten aus den Brandkatastern (seit 1810), zusammengestellt im vorläufigen „Häuserbuch“ des RGHV, ging der Referent auf die Entwicklung der Rodheimer Straßennamen ein. Diese fanden als Bestandteil einer Hausadresse erst ab 1880 Verwendung. Bis dahin waren die Häuser in den Brandkatastern nur durchnummeriert worden!

Nida – Römische Hauptstadt der Wetterau

Es war alles da, was die Struktur einer römischen Metropole ausmachte: Eine umgebende Mauer, ein Forum, öffentliche Bäder, ein Theater, ein Mithräum, Felder zur Bestattung der Verstorbenen. Im Fall von Nida gehörte sogar ein Flusshafen an der schiffbaren Nidda dazu und, wie wir aus neuen Funden wissen, der Kultbezirk, dessen Lage nun bekannt ist.

Als das ‚teutsche Pompeji‘ bezeichneten vor rund 200 Jahren die Altertumsforscher das Gelände des ‚Heidenfeldes‘ im heutigen Frankfurter Stadtteil Heddernheim, das sie erstmals ergraben und auf dem sie ’sehr merkwürdige Gegenstände der alten Römerstadt‘ gefunden hatten. Allgemein bekannt war der Besiedlungsplatz aber schon in den Jahrhunderten davor, diente er doch als ergiebige Quelle für benötigtes Baumaterial.

Nida war für etwa 200 Jahre n. Chr. der römische Zentralort in unserem Gebiet. Zunächst als Kastellvicus etwa 69 n. Chr. gegründet, entwickelte sich daraus eine prosperierende Zivilsiedlung, Handwerker- und Handelsmetropole, die in ihren besten Zeiten etwa 6.000 Einwohnern Schutz und Lebensraum bot.

Der Bau der Römerstadt in den Jahren 1927 -1929 zerstörte große Teile der vorhandenen Bausubstanz und mit Errichtung der Nordweststadt in den Jahren 1961 – 1973 wurde alt-besiedeltes Gelände überbaut, ohne Möglichkeiten zur archäologischen Aufnahme und Sicherung der Befunde. Ein Glücksfall, dass die Römerstadtschule einen Erweiterungsbau benötigte, der begleitende archäologische Untersuchungen erforderlich machte. 2016 wurde auf diesem Gelände der lange vermutete Kultbezirk von Nida nachgewiesen mit den Grundmauern von mindestens fünf Tempelbauten. Der Fund einer kleinen Adlerfigur mit Blitzbündel aus Bronze belegt den Kult um den höchsten römischen Gott Jupiter, der Fund einer Inschriftentafel belegt die Verehrung von Jupiter Dolichenus.

Gefundene bemalte Verputzfragmente zeigen die Pracht der Tempelausstattung, die Inhalte der etwa 130 ‚Kultgruben‘ lassen Opferhandlungen vermuten.

Dr. Carsten Wenzel, Kustos der Abteilung Römerzeit im Archäologischen Museum Frankfurt und „Herr“ über einen Großteil der Funde aus Nida, verstand es hervorragend, das vielköpfige Auditorium fachkompetent und dennoch mitreißend und humorvoll zu begeistern.

Martin Luther und die Juden

Der RGHV hatte am 15. Februar zu einer Vortragsveranstaltung zum o.g. Thema in das Forum Faselstall geladen. Der voll besetzte Raum bewies das hohe Interesse an der Thematik, die mit dem Referenten, Professor Friedrich Battenberg, hervorragend fachlich präsentiert wurde. Die Verbindung zu diesem Rechtswissenschaftler, ehemaligem Leiter des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt und ausgewiesenem Fachmann für jüdische Geschichte, war durch den Nieder-Rosbacher Ortsvorsteher, Dr. Volker Hofmann, zustande gekommen.

Martin Luther, sein Leben und sein Urteil zu vielen Themen rückten im Rahmen des 500-jährigen Reformationsjubiläums im Jahr 2017 ins Licht der Öffentlichkeit, wenn auch gerade die Facette seiner Einstellungen zum Judentum eher weniger beleuchtet wurde. Luther äußerte sich als Theologe jedoch vielfach dazu. War er im Jahr 1523 noch Verfechter einer gesellschaftlichen Integration der Juden, so entwickelte er ab 1525, wohl aufgrund fehlender „Missionserfolge“ und aus Sorge um seine reformatorischen Bestrebungen, eine zunehmend kritische und ablehnende Haltung ihnen gegenüber. Diese gipfelten nach 1538 in Empfehlungen und Forderungen, die „verstockten“ Juden des Landes zu verweisen und ihre Synagogen zu verbrennen. Bereits 1536 hatte Johann Friedrich I. von Sachsen Juden den Aufenthalt im Kurfürstentum verboten, worauf der Rabbiner Josel von Rosheim, der damalige Anwalt der Juden im Reich, bei Luther um Fürsprache zur Aufhebung des Verbots bat. In einem Brief an Josel von Rosheim begründet Luther 1537 sachlich aber unnachgiebig, warum er sich dazu außerstande sieht.

Auf hohem Niveau gelang es Prof. Battenberg, die Zuhörer in die Lebens-, Gedanken- und Glaubenswelt des 16. Jahrhunderts mitzunehmen, in der der Teufel durchaus real war.