Am 7. Juni 1953 wurde das „modernste Freibad der Wetterau“, das Schwimmbad am Wässerigten Weg in Rodheim, mit einer großen Feier und viel Publikum eröffnet. Ute Veit und Karsten Brunk vom RGHV nahmen das 60-jährige Jubiläum zum Anlass, am 15.11.2013 im Forum „Faselstall“ hinter dem Alten Rathaus einen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des „Volksbades“ zu halten. Der mehr als voll besetzte Versammlungssaal war ein Beweis für das große Interesse an diesem Thema, und beide Referenten sorgten dafür, dass die Erwartungen des Publikums vollauf erfüllt wurden. Auch die vom Vortrag begleitete Ausstellung mit Bildern und Dokumenten zum Schwimmbadbau und dem Schwimmbad als Rodheimer Attraktion in den 1950er und 1960er Jahren, ließ im Anschluss an den Vortrag das Publikum nach länger an den Schautafeln verweilen und Erinnerungen austauschen.
Dass ein Großbrand im Ortskern am 16. August 1951 der Auslöser für den Bau eines Löschwasserbeckens war, welches gleichzeitig als Schwimmbad genutzt werden sollte, das wussten viele der Zuhörer. Auch, dass man den Brand wegen Wassermangels größtenteils nur mit Jauche löschen konnte, wird oft berichtet. Woher die Rodheimer Bürger aber das nötige Eigenkapital für die 197 000 DM teure Baumaßnahme auf ihren Gemeindewiesen hatten, und welcher Zeitrahmen von der Planung bis zur Einweihung zur Verfügung stand, darüber wusste Ute Veit viel Neues und auch Amüsantes zu berichten.
So gibt es zum Beispiel die vom ehemaligen Rohrmeister Wilhelm Duplois häufig erzählte (und durchaus glaubwürdige) Anekdote von den Gemeinde-Abgesandten, die dem Darmstädter Regierungspräsidenten dank eines Korbes voll Metzgerei-Spezialitäten die Genehmigung für einen zusätzlichen Einschlag von 3000 Festmeter Holz abringen konnten. Aktenkundig ist jedenfalls, dass die Rodheimer hinterher über 50 000 DM Eigenkapital für das Schwimmbad verfügten.
„Bei der Durchsicht der vorhandenen Archivalien wundert man sich über die Geschwindigkeit der Abläufe“, meinte Veit. Im Mai 1952 berichtete die Wetterauer Zeitung erstmals über den geplanten Schwimmbadbau, im Juni lag ein erster Vorentwurf des Bauingenieurs Philipp Köppel und dessen Bruder Otto Köppel vor, und am 1. August 1952 wurde Philipp Köppel pro forma die Bauaufsicht übertragen. Die offizielle Baubeschreibung kam erst 11 Tage später und umfasste ganze zwei Seiten. „Bereits in der Anfangsplanung war der Einbau einer Umwälzanlage zur hygienischen Wasseraufbereitung vorgesehen“ wusste die Referentin zu berichten. Für damalige Zeiten längst keine Selbstverständlichkeit, weshalb sich die Gemeindegremien bei der Beschaffung öffentlicher Zuschüsse mehrfach zu rechtfertigen hatten. Die Mühe sollte sich aber lohnen, wie man heute – 60 Jahre später – weiß: die damals montierte Anlage funktioniert noch bis heute einwandfrei, lediglich ein paar Rohre hat man zwischenzeitlich erneuern müssen.
Mit geradezu rekordverdächtiger Geschwindigkeit, an der der damalige Bürgermeister Friedrich Schröder nicht unerheblichen Anteil hatte, ging es im September weiter: Bauauftrag für die Erd- und Betonierungsarbeiten am 1.9, zwei Tage vor Erteilung der vorläufigen Baugenehmigung. Die kam erst am 3.9., und schon einen Tag später wurde mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen. Die endgültige Baugenehmigung kam zum Monatsende, und am 25. Oktober lag bereits der Abnahmebericht für den Rohbau vor. „So schnell ging das damals mit den Baugenehmigungen“, kommentierte Veit. Gleiches galt für die Baumaßnahme an sich. „Vor dem Hintergrund, dass es ja noch keinen Lieferbeton gab und der Beton von Hand gemischt und mit Schubkarren zum Becken gebracht wurde, eine enorme Leistung!“
Der Enthusiasmus kam ins Stocken, als das Hessische Innenministerium mitteilte, nur solche Projekte mit etwaigen Staatszuschüssen zu bedenken, die zuvor von der „Deutschen Gesellschaft für das Badewesen“ begutachtet worden seien. Die Stellungnahme der Gesellschaft war vernichtend, vor allem empfahl man den Bau eines kleineren Beckens. Dabei hatte man sich in Rodheim doch bewusst für eine Beckengröße entschieden, die den Wettkampfbestimmungen des Deutschen Schwimmverbandes entsprach. Eine deutlich formulierte Gegendarstellung zeigte Wirkung, so dass die Wetterauer Zeitung nach der Winterpause am 27.3.1953 berichtete: „Die Inbetriebnahme des Schwimmbades ist noch für das laufende Jahr vorgesehen.“ Jetzt wurde das Tempo noch weiter erhöht. „Die Verträge waren knallhart, Sonderzahlungen für Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeiten ausgeschlossen“, war zu erfahren. Bei Nichteinhaltung von Terminen drohten Strafzahlungen.
In einer Gemeinderatssitzung am 16. April 1953 wurden die Aufträge für die noch sehr umfangreichen Restarbeiten vergeben. Die Zeit wurde knapp, doch die Rodheimer starten durch. Schon ab dem 20. Mai konnte das Becken tatsächlich mit Wasser gefüllt werden. Dieser Vorgang dauert auch heute noch 5 1/2 Tage. „Es ist beeindruckend, wie viel in dieser Zeit nicht nur von den beteiligten Firmen, sondern auch vom ‚Logistikzentrum‘ Rathaus und den Gemeindegremien samt Architekt geleistet wurde“, lobte Veit. Erst zur Eröffnung der nächsten Badesaison 1954 seien auch die Außenanlagen und die Zufahrtstraße „Am Schwimmbad“ endgültig fertig gewesen. „Die Kosten waren für damalige Verhältnisse eine enorme Summe, die aufgebracht worden war aus Eigenkapital, Eigenleistung und Fördergeldern. Von Kreditaufnahme war nirgends die Rede.“
Die Attraktion und herausragende Funktion des Rodheimer Schwimmbades in den folgenden Jahrzehnten, nicht nur als regionaler Ort der Freizeitgestaltung, des Sports und der Gesundheit, sondern auch für die Integration von jung bis alt und multikulturell, verdeutlichten die abschließend gezeigten Bild- und Videodokumente. Darüber hinaus war das Schwimmbad damals sogar das Ziel von Hochzeitsgesellschaften und im Sommer 1959 kam der in Friedberg stationierte Elvis Presley wegen des Schwimmbades zu einer Stippvisite nach Rodheim. Bis heute ist die „blau-grüne“ siedlungsfreie Fläche im Herzen von Rodheim ein prägendes Juwel, das es zu erhalten gilt.