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Mundart vom Feinsten mit „Meelstaa“

Wie es sich für einen Geschichtsverein gehört, wählte der RGHV-Vorsitzende Dr. Karsten Brunk in seiner Begrüßung im Rodheimer Bürgerhaus am 18. März die Worte „Es war einmal“ – denn bereits 1995 war die Vorgängerformation „Fäägmeel“ schon einmal in Rodheim zu Gast gewesen. Was dann in Form von hervorragend präsentierten Liedern und Texten folgen sollte, war nicht nur eine Reise in die Vergangenheit mittelhessischen Landlebens, geprägt vom sonntäglichen Kirchgang, dem Rattern der Landmaschinen oder dem Krähen von Nachbars Gockelhahn. So vielseitig wie die Texte auch zu zeitgenössischen Themen, die vor allem aus der Feder von Siegward Roth noch aus „Fäägmeel“-Zeiten stammen, so treffend waren auch die Mittel, die die drei Vollblut-Musiker Berthold Schäfer, Jens Schneider und Clemens Goth zur musikalischen Umsetzung benutzten. Hier wurde jedes Lied sprachlich wie musikalisch sorgsam und mit Ideenreichtum geformt, und die Zuhörerinnen und Zuhörer erlebten den mittelhessischen Dialekt wie eine liebevoll verpackte Kostbarkeit, der man sich mit Freude hingeben mochte.

Das Spiel mit den Worten und ihrem Klang wurde auch für diejenigen, die des Dialekts nicht mächtig waren, zum echten Genuss. Mal besinnlich und ernst, ein anderes Mal heiter und von unbeschwerter Fröhlichkeit, widmete sich das Trio einer Fülle von Themen, die den Alltag so lebens- und liebenswert machen. Kleine Ungeschicklichkeiten, etwa bei der Fehlersuche an einem vermeintlich defekten Fernseher oder beim Umgang mit dem reparaturbedürftigen Fahrrad, entlockten dem Publikum so manch ein Schmunzeln. Und als der Textpoet Siegward Roth einfühlsam die Ruhe nach einem ereignisreichen Tag schilderte, lauschten die Zuhörer so aufmerksam den Worten des Erzählers, dass man gehört hätte, wenn eine Stecknadel zu Boden gefallen wäre.

Ob mit einer Parodie über die stolze Männerriege („Mir sei Kerle“) oder den notorischen Zu-Spät-Kommer („Die Weck“) einerseits, oder beim Wortspiel über das „Krogedill“ andererseits – jeder Song bestach durch seinen sensiblen Umgang mit der hessischen Mundart und ihrem besonderen Klang der Worte und ihrer Aussprache.

Der Umgang mit dem Dialekt und das Spiel mit den Lauten bescherte den Zuhörern einen vergnüglichen Abend, der nicht nur musikalische Glanzlichter zu bieten hatte. Witz und Charme vereinigten sich zu einem vergnüglichen Gemisch mittelhessischer Unterhaltung, bei der Text und Musik einander wirkungsvoll ergänzten.

Natürlich durfte auch die fast schon legendäre „Rure-Roiwe-Robbmaschin“ an diesem Abend nicht fehlen – wenn auch erst in der mehr als verdienten Zugabe. Der Abend dürfte als gelungenes Beispiel für den Erhalt des hiesigen Kulturgutes in die Bücher des RGHV eingehen.

Roaremer und Wetterauer Mundart zum Anhören

Im Februar 2020 fand in Rodheim der Mundartabend mit dem Titel „Earsse unn hursche“ statt – siehe Berichterstattung und Fotos dazu unten. Die Dialekt-Kostproben der vortragenden Sprecherinnen und Sprecher aus Roarem, sowie als Gast Frau Gerda Bonarius aus Steinfurt, sind aufgezeichnet worden. Diese Tondokumente haben wir inzwischen auf CDs gebrannt und Anfang Dezember unseren Mitgliedern als vorweihnachtliches Geschenk überreicht.

Weitere Kopien der Audio-CD können gegen ein Entgelt von 10 Euro erworben werden. Erhältlich bei Frau Margot Mehring in der Junkergasse 14, 61191 Rosbach-Rodheim vor der Höhe, Tel. 06007-2437.   

Earsse unn hursche

Viele Jahre wurde an den RGHV der Wunsch nach einer Mundart-Veranstaltung herangetragen. Am Freitag, dem 7. Februar 2020, war es endlich soweit! Der Vorstand des Vereins hatte Mitglieder und Gäste ins Rodheimer Bürgerhaus eingeladen. Gastwirt und Koch Uli Müller servierte den gut 100 Teilnehmern mit Bratwurst und wahlweise Kartoffelgemüse oder „Unnerirdische Kolleroawe“ (also Steckrüben) einfache, aber überaus köstliche Landküche.

Dem RGHV war mit Gerda Bonarius aus Steinfurth eine „muttersprachliche“ Wetterauerin begegnet, für die Dialekt noch Alltag ist. Wer so schön „babbele“ kann, wird auch schon mal ins Fernsehen eingeladen: Frau Bonarius hat mehrfach im „Hessenquiz“ die Mundart-Parts gesprochen, wenn Wetterauer Platt gefragt war. Die Ehrenvorsitzende der Rosisten, des Heimat- und Geschichtsvereins Steinfurth, erklärte den Zuhörern zunächst die Vielfältigkeit des Wortes „ebbes“, bevor das klebrige Geschehen um die alljährliche häusliche Marmeladen- und Geleeproduktion beschrieben wurde. Steinfurther Geschichten und die dortige Rosenzucht kamen auch nicht zu kurz.

Margot Mehring und Ute Veit bereiteten den Zuhörern mit einem Telefonat zwischen der in Kur befindlichen Mutter und der zu Hause gebliebenen minderjährigen Tochter, nach deren Einschätzung daheim „alles in Urdnung“ sei, sichtliches Vergnügen.

Nach der Pause, in der Kostproben von Steinfurther „Bouweschenkel“, die die Gastrednerin mitgebracht hatte, und Rodheimer Grieben-Kratzkuchen aus der Mehring’schen Küche gereicht wurden, konnte Erika Ulherr von intriganten Versuchen einer Nachbarin berichten. Wolfgang Schäfer rezitierte 2 Gedichte seines Urgroßvaters, des „Selzer-Richard“, von dem viele mundartliche Aufzeichnungen erhalten sind. Walter Soff ließ in manchem Zuhörer die Tage der Hausschlachtung aufleben, und dass einige Schoppen Apfelwein das klare Unterscheiden vom Essen für Hausherr und Hausschwein trüben, wusste Margot Mehring zu erzählen. Ute Veit gab aus dem mundartlichen Fundus ihres Vaters, Alwin Biedenkapp, einige Rodheimer Begebenheiten zum Besten. Alles im schönsten „Roaremer Platt“!

Spontane Wortmeldungen von Detlef Schneider und vom „Wiene-Wolfgang“, der einiges über die Eigenarten seiner Großeltern kundtat, bereicherten wunderbar das Zusammensein. Das Urteil der Teilnehmer danach war einhellig: „Woas fir en scheene Owend“!

Bjest de näit vo Roarem, mijet deune dicke Kneppelschou

Sehr gut besucht war der Mundartabend, zu dem der RGHV eingeladen hatte. Im Großen Saal des Rodheimer Bürgerhauses erlebten die Zuhörer einen recht kurzweiligen Abend. Der anerkannte Mundartinterpret Horst Becker aus Bergen-Enkheim begeisterte das Publikum mit Gedichten und Prosatexten, unter anderem von Peter Geibel (Karben) und Martin Dietz (Bergen-Enkheim). Viel Beifall erhielt auch Karin von Hayn aus Rodheim mit Rodheimer Geschichten und Episoden, die der Altbürgermeister Alwin Biedenkapp gesammelt und niedergeschrieben hatte. Sie beendete ihren Vortrag mit dem Lied „Bjest de näit vo Roarem, mijet deune dicke Kneppelschou“ in das der ganze Saal einstimmte.

Horst Becker

Die beiden Interpreten boten eine große Bandbreite von humoristischen und aber auch nachdenklichen Beiträgen. Insbesondere zwei Gedichte von Martin Dietz über den alten Bauerngarten und das Fachwerkhaus drückten sehr einfühlsam aus, welchem Wandel die dörfliche Kultur unterworfen ist. Die Mundartveranstaltung selbst ist bereits Ausdruck dieser Veränderung, denn in Zeiten, in denen der Dialekt noch etwas Alltägliches war, wäre niemand auf die Idee gekommen einen Mundartabend zu gestalten. Je mehr der Dialekt aus dem Alltagsleben verdrängt und nur noch an solchen Vortragsabenden gepflegt wird, entwickelt er sich leider immer mehr zur Folklore. So kann die große Zustimmung des Publikums nicht darüber hinweg täuschen, dass die von Alwin Biedenkapp bereits in den 1970-er Jahren geäußerte Befürchtung: „Es wir nemlich schoad, wenn dai Sprooch em Innergang un em Vegeässe geweiht we-än deet.“ aktueller ist denn je.

Karin von Hayn