Zum Gedenken an die Zerstörung der Rodheimer Synagoge am 10. November 1938 und die Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft haben der RGHV, die Stadt Rosbach, der VdK Rodheim, die Katholische und die Evangelische Kirche am Volkstrauertag eine gemeinsame Gedenkveranstaltung durchgeführt.
Ein Besucher der Veranstaltung hat sich dazu wie folgt geäußert (hier in leicht überarbeiteter und gekürzter Fassung):
Die Veranstalter veranschaulichten mit konkreten Beispielen an drei historischen Stätten in Rodheim unter anderem die Gewalttaten gegen die Juden in Deutschland und Österreich im November 1938. Die Zerstörung der Rodheimer Synagoge durch ein gelegtes Feuer und die Plünderung der Wohnungen der jüdischen Familien wurden mittels Zitaten aus einem Verhörprotokoll und weiteren Fakten nahegebracht. Zahlreiche Teilnehmer, junge Konfirmanden bis zu noch lebenden Zeitzeugen, spürten dabei hautnah, wozu Hass und Diskriminierung damals genutzt wurden. Das Bewusstsein um die Gräueltaten und der Wunsch, solches in Zukunft zu verhindern, einigten die Teilnehmer an der Gedenkveranstaltung.
Zwei Vorträge zum Leben und Wirken des ehemaligen Rodheimer Pfarrers am 1. und 29. Oktober 2021
Referenten: Joachim Beuck & Dr. Karsten Brunk
Vortrag von Joachim Beuck am 1. Oktober 2021
Er ist den Rodheimer Bürgerinnen und Bürgern weniger präsent, als beispielsweise in Kronberg im Taunus, wo er nach seiner Rodheimer Zeit tätig war. Johann Ludwig Christ, lutherischer Pfarrer in Rodheim von Weihnachten 1776 bis 1786 war eine Koryphäe seiner Zeit, der neben seinem Pfarrberuf zahlreiche oft mehrfach aufgelegte Schriften verfasste, die zum Teil noch lange über seine Lebenszeit hinaus als Standardwerke galten. Als Naturforscher galten seine Interessen dem Obstbau, der Bienenzucht, der Viehzucht allgemein und dem Ackerbau. Immer im Blick hatte er dabei die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln durch Optimierung von Anbau, Verarbeitung und Haltbarmachung und somit die Verbesserung der Lebenssituation der Menschen.
Mindestens neun Fachbücher und Schriften entstanden in seiner Rodheimer Zeit, darunter eine „für jeden Landmann deutliche Anweisung zu dem erträglichen Tabaksanbau“. Die Entwicklung von Magazinhäusern für die Bienenzucht – weg von den bis dahin üblichen Stroh-Bienenkörben – und das Konzept für einen Dörrofen fallen in die Kronberger Zeit des „Pomologen“.
Nicht zuletzt betätigte er sich als Kirchenbaumeister, wozu ihn seine langjährigen mathematischen, geometrischen und zeichnerischen Studien befähigten, so gehen die Kirchen in Berkersheim, die 1766 erbaut wurde, sowie die 1884/85 errichtete Kirche in Harreshausen, beides Kirchen in der Grafschaft Hanau, auf seine Pläne zurück.
Geboren wurde Johann Ludwig Christ am 18. Oktober 1739 in Öhringen, besuchte in Heilbronn das Gymnasium, nahm ab 1758 das Theologie-Studium in Tübingen und Altdorf auf. Er hatte ab 1764 die Pfarrstelle in Bergen inne (heute Bergen-Enkheim), wechselte 1767 nach Rüdigheim bei Hanau und von dort nach Rodheim. Zwei Mal verheiratet, musste er seine beiden Frauen zu Grabe tragen. Von seinen 6 Kindern erlebte nur die einzige Tochter das Erwachsenenalter.
Er starb 1813 in Kronberg.
Joachim Beucks intensiven Recherchen, u.a. in den Archiven der universitären Ausbildungsstätten, ist es zu verdanken, dass die Bedeutung des vormaligen Rodheimer Pfarrers allen Zuhörern bewusst wurde.
Sommer 1783 – Pfarrer Christ und der „Höherauch“ über Rodheim
Dr. Karsten Brunk berichtete über den Rodheimer Chronisten einer Naturkatastrophe.
Die Ausführungen von Joachim Beuck am 1. Oktober 2021 im Rodheimer Bürgerhaus hatten uns bereits mit dem Leben und Wirken sowie den wissenschaftlichen Interessen von Johann Ludwig Christ, der von 1776 bis 1786 in Rodheim lutherischer Pfarrer war, vertraut gemacht. Am 29. Oktober konnte Dr. Karsten Brunk hierauf aufbauen und darlegen, was es mit dem von Christ beschriebenen „Höherauch“ im Jahr 1783 auf sich hatte.
Eine Einstimmung in das Denken und die Vorstellungen des 18. Jahrhunderts gaben mehrere Schriften, die Christ verfasst hatte. Auch Luftverschmutzungen waren keineswegs unbekannt und waren von ihm als „ordentlicher Höherauch“ beschrieben worden. Meist waren diese Trübungen auf gezielt angelegte Torffeuer in Norddeutschland und den Niederlanden zurückzuführen, deren Aschepartikel sich großräumig ausbreiteten und einen schleierartigen Dunst vor das Sonnenlicht legten.
Anders im Sommer 1783. Bereits am 11. Juli 1783 begann Christ mit der Niederschrift eines noch im gleichen Jahr gedruckten Artikels mit dem Titel „Von der außerordentlichen Witterung des Jahres 1783 in Ansehung des anhaltenden und heftigen Höherauchs…“. Darin legte er seine Sichtweise über die Entstehung dieses vom Bekannten abweichenden atmosphärischen Phänomens dar – zutreffend und als einer der ersten Chronisten in Europa überhaupt.
Was war geschehen? Am 8. Juni 1783 hatte sich in Island eine Vulkanspalte aufgetan, die Laki-Kraterreihe. Damit verbunden war eine der größten Eruptionen der neueren Zeit mit einem extremen Ausstoß von Lava und Aschewolken, letztere bis in die Stratosphäre gelangend, in der sie v.a. nach Westeuropa getragen wurden und eine Verdunkelung der Atmosphäre verursachten. Die Eruptionen dauerten bis zum Februar 1784 an. Man schätzt, dass durch die unmittelbaren Folgen, die Missernten und das Viehsterben etwa eine Viertelmillion Menschen ums Leben gekommen sind.
Der Winter 1783/84 zeigte auch bei uns extrem tiefe Temperaturen, dem zahlreiche Hochwasserkatastrophen durch Schmelzwasser (Eishochwasser) im Frühjahr folgten. Höchste Wasserstandsmarken in flussnahen Städten zeugen davon.
Karsten Brunk als Geograph konnte dem Publikum die Materie spannend darlegen und die überregionale Bedeutung des Rodheimer Pfarrers Johann Ludwig Christ wurde Allen ein weiteres Mal bewusst.
Unter dem Motto „Rosbach rollt“ nimmt die Stadt Rosbach v.d. Höhe auch in diesem Frühsommer wieder an der deutschlandweiten Klimaaktion STADTRADELN teil. Mit Unterstützung verschiedener Vereine und Organisationen wurden interessante Radtouren angeboten. So führte der Rodheimer Geschichts- und Heimatverein (RGHV) mit Unterstützung des Heimatgeschichtsvereins Rosbach (HGV) am 3. Juni eine Geschichts- und Landschaftstour durch die Rosbacher Gemarkung durch. Geleitet wurde sie von Dr. Karsten Brunk, dem Vorsitzenden des RGHV, der die Route auch ausgearbeitet hatte.
Pünktlich um 14.00 Uhr versammelten sich an der Adolf-Reichwein-Halle in Rosbach die angemeldeten Tour-Teilnehmer. Schon nach einer kurzen Wegstrecke gab es den ersten Halt. An der Wasserburg in Nieder-Rosbach wurden die Radler von Dr. Michael Limlei, Vorstand des HGV, begrüßt. Danach informierte sein Vereinskollege Herr Heinz Rahn über die wechselvolle Geschichte der Wasserburg.
Nachdem die Gruppe Nieder-Rosbach verlassen hatte, erreichte sie eine Anhöhe am Rande der ehemaligen Kiesgrube “Auf dem Köppel“. Von dort konnte sie einen wunderbaren Ausblick über die Wetterau bis hin zum Vogelsberg genießen. Dieser Standort bot Dr. Karsten Brunk die Gelegenheit, anschaulich die geologischen Ursachen, die zur Entstehung dieser Landschaft geführt hatten, zu erläutern.
Die nächste Station der Radtour waren die Hügelgräber im Beinhardswald. Dieses vorgeschichtliche Grabhügelfeld war hier in der Bronze- oder frühen Eisenzeit angelegt worden – wie damals üblich auf Anhöhen. Leider hat es immer wieder Grabräuber gegeben, die Hügelgräber im Laufe der Zeit ausgeplündert hätten.
Von hieraus führte die Route entlang von Getreidefeldern bis zum Hamstergraben östlich von Rodheim. Hier stellte Dr. Karsten Brunk den Teilnehmern den unsichtbaren „vierten und ältesten Ortsteil“ in der Rosbacher Gemarkung vor. Es handelt sich um den heute nicht mehr existierenden Ort Leichen (auch Lichen), der im Jahr 775 erstmals urkundlich erwähnt und vermutlich im Spätmittelalter aufgegeben wurde. Noch heute deuten alte Flurnamen, wie „Hinter der Leicher Kirche“ oder „Im Leicher Feld“, auf die Existenz dieses Ortes hin. Auch wenn von dem Ort selbst nichts mehr zu erkennen ist, so zeichnet sich die Leicher Straße, eine wichtige Nord-Süd-Verbindung in der Wetterau, durch eine deutlich sichtbare Vertiefung im Gelände ab.
Der nächste Halt in Rodheim war nun schnell erreicht. Dort auf dem Marktplatz angekommen, berichtete Herr Joachim Beuck vom RGHV-Vorstand den Teilnehmern, dass Rodheim dank eines Privilegs Kaiser Karl IV mit einer mittelalterlichen Befestigung versehen werden konnte, deren Mauer den Ort umschloss und nur von den beiden Toren, dem Ober- und dem Untertor, unterbrochen wurde. Joachim Beuck wies darauf hin, dass zu dieser Zeit der Marktplatz noch ein ganz anderes Aussehen gehabt hatte. Zwei Gebäude, die prägend für diesen Platz waren, nämlich das alte Rathaus und die spätmittelalterliche Kirche seien im 19. Jahrhundert abgerissen worden. Da auch der Nachfolgebau der Kirche bereits in den 1950er Jahren wegen Baufälligkeit ebenfalls abgebrochen wurde, entstand die heutige Situation, dass der mittelalterliche Kirchturm nun ohne Kirchenschiff dasteht.
Außerhalb von Rodheim folgte die Tour zunächst dem Kreuzweg. Dort machte Herr Dr. Karsten Brunk die Gruppe auf die rechts vom Weg gelegene „Lettkaut“ aufmerksam. An dieser Stelle wurde, wie an vielen Stellen in der näheren Umgebung von Rodheim, früher Lehm für die Ziegelherstellung abgebaut. Möglicherweise gehen die Anfänge der Abgrabungen auch schon auf das Mittelalter zurück, als die Töpfer der nahe gelegenen Wüstung Wirtheim hier ihren Rohstoff gewannen.
Weiter Richtung Westen fahrend, erreichte die Gruppe schließlich die Weinstraße, der sie dann nordwärts folgte. Deren Name hat nichts mit dem Getränk zu tun, sondern leitet sich von „Wän“ oder „Waan“ für Wagen ab und bedeutet somit eigentlich „Wagenstraße“. Am westlichen Rand des Beinhardswaldes wies Dr. Karsten Brunk auf tiefe Geländeeinschnitte (Hohlwege) hin. Hierbei handelt es sich um die deutlich sichtbaren Errosionsspuren, die eine Jahrhunderte dauernde Benutzung der Weinstraße hervorgerufen hatte.
Südwestlich von Ober-Rosbach gab es nochmals auffällige Geländeformationen zu betrachten. Sie sind, wie Dr. Karsten Brunk ausführte, Zeugnisse des früheren Bergbaus in diesem Gebiet. Bis in die 1920er Jahre wurde dort Manganerz gewonnen und zwar sowohl bergmännisch als auch im Tagebau. Sichtbar geblieben sind nur die Abraumhalden.
Als letzte Station entlang der ca. 3-stündigen Rundtour erreichten die Radler den Marktplatz von Ober-Rosbach. Hier wurden sie wieder von Mitgliedern des HGV erwartet, von denen Herr Horst Pauly Interessantes über die Gebäude rings um den Marktplatz zu berichten hatte. Nachdem die Gruppe anschließend die 1883 in Ober-Rosbach gepflanzte Luthereiche passiert hatte, kehrte sie mit gut 18 Radelkilometern zum Startpunkt zurück.