Archiv 0

Die Köpperner und Rodheimer Mühlen am Erlenbach

Auf die Bedeutung der Worte „Mühle“ und „Müller“ im Sprichwort, in Liedtexten, im täglichen Sprachgebrauch und als Familiennamen wies Referent Will zu Beginn seiner Ausführungen hin. Dem Familiennamen Müller ist in Deutschland der Spitzenplatz nicht streitig zu machen. Als selbstständiger Handwerker ist der „Müller“ heute eine aussterbende Spezies, längst haben Großmühlen das Terrain übernommen. Ein gewisser Nimbus ist diesem uralten Gewerbe allerdings noch immer eigen; in vielen Regionen unseres Landes haben sich Mühlenfans, Technikfreaks und naturverbundene Hobbyforscher zusammengefunden, um die Erinnerung an die „ältesten Maschinen der Welt“ – so der Referent – wach zu halten.

Die Existenz der Mühlen war abhängig vom Wasserangebot. Die reichliche Wasserführung und günstige Geländeverhältnisse haben am heimatlichen Erlenbach in früheren Jahrhunderten zur Anlage von zahlreichen Mühlgräben und und Mühlteichen geführt. Von der Quelle unterhalb des Sandplackens im Taunus bis zur Mündung in die Nidda ist der Erlenbach 28,5 Kilometer lang. Die Quelle liegt 610 m über NN, 505 Meter Gefälle überwindet er bis zur Mündung. Insgesamt wurden 32 Mühlen von diesem Taunusbach betrieben, alleine 18 davon arbeiteten an seinem Mittel- und Unterlauf. Auf Köpperner Territorium siedelten sich 10 Mühlen an. Eine davon, die „unterste Mühle“ (auch Gebrannte Mühle, Tannenmühle und Grunermühle genannt), hat für die Gemeinde Köppern eine besondere Bedeutung: Im Jahr 1269 gab Gerhard III. von Eppstein eine Mühle zum Lehen „in Copperno“. Diese Ersterwähnung Köpperns in einem Mühlen-Lehensbrief wird der Mühle mit den vier bekannten Namen zugeordnet.

Bereits Friedrich Barbarossa erlies 1158 ein sogenanntes „Mühlenregal“, das nur dem Grundherren das Recht auf Bau und Betrieb von Mühlen zusicherte und die Untertanen zwang, ihr Mahlgut in einer dem Grundherrn gehörenden Mühle mahlen zu lassen (Mühlenzwang). Im 14. und 15. Jahrhundert entstanden dann die sogenannten Erbleihmühlen. Sicher ist, dass die „unterste Mühle“ eine echte Erbleihmühle war.

Heute ist die „Grunermühle“ eine Rodheimer Mühle – zumindest teilweise! Die Erklärung des Referenten Will ist einleuchtend: Vor der Teilung der Rodheim-Köpperner Waldmark weist das Homburger Saalbuch von 1575 die „Tannenmühle“ als eine zum Amt Homburg gehörende Erbleihmühle aus. Als die Markteilung im Jahr 1737 endgültig geregelt und in schriftlicher Form festgelegt war, übte bereits ein Rodheimer Ortsbürger -Johann Philipp Vorbach- auf der „Gebrannten Mühle“ das Müllerhandwerk aus. Er gehörte zu einer „Müllerdynastie“, die ab 1640 drei Erlenbachmühlen bewirtschaftete: Die Dickmühle, die immer in der Rodheimer Gemarkung lag, die Gebrannte-bzw. Tannenmühle und die Bornmühle, die Holzhausen zuzuordnen ist.

Ein „Unikum“ ist die heutige Grunermühle geblieben: Die Köppern-Rodheimer Grenze führt seit 1737 durch das Anwesen. Das alte Mühlengebäude steht in der Rodheimer Gemarkung, das Wohnhaus gehört zum Köpperner Gebiet. Das heißt auch, durch das Mühlengelände führt die Kreisgrenze: Wetteraukreis und Hochtaunuskreis; ehedem war es sogar eine „Staatsgrenze“: Großherzogtum Hessen und Landgrafschaft Hessen-Homburg.

Das Jubiläumsjahr 2005 im Rückblick

Der 2. Vorsitzende Dr. Karsten Brunk leitete seinen Vortrag mit einer Rückschau auf die Planungsgeschichte der Jubiläumsjahresaktivitäten ein. Dazu hatte er in den Vorstandsprotokollen des RGHV weit zurück geblättert, um an die Quellen unserer Überlegungen zu diesem nun bereits historischen Ereignis zu kommen. Im November 1997 und im Januar 1998 wurde er fündig: Festschrift, Festvortrag, zweitägiges Straßenfest, Veröffentlichungen in den „Rodheimer Heften“, Ausstellung im Bürgerhaus, Musik auf alten Instrumenten (alte Musik) und Mundartabend wurden damals bereits vorgeschlagen.

Ab Juni 2000 präzisierten wir diese Vorhaben, neue kamen hinzu und weitere zum Teil sehr fantasievolle Vorschläge wurden wieder verworfen. In Abstimmung mit Bürgermeister Brechtel wurde das Hessische Staatsarchiv in Darmstadt eingeschaltet, um zu klären, wie die bisherige Datierung der urkundlichen Ersterwähnung zu bewerten sei. Die Nachricht, dass das Jahr 805 als die urkundliche Ersterwähnung angesehen werden kann, wurde von dem leitenden Archivdirektor Prof. Dr. Friedrich Battenberg bestätigt und brachte uns ein Jahr zusätzliche Vorbereitungszeit. Bürgermeister Brechtel machte auch deutlich, dass er auf qualitativ anspruchsvolle Jubiläumsaktivitäten Wert lege, da die Stadt Rosbach noch Jahrzehnte später an ihren Veranstaltungen gemessen würde!

Nun folgten vier Jahre sehr intensiver Vorbereitungen, an denen ab 2002 auch die Verantwortlichen der Stadt, der örtlichen Vereine und der Kirchen mit großen Engagement beteiligt waren.

Zum Auftakt des Jubiläumsjahres konnte der Bürgermeister am 1. Februar 2005 den Rodheimer Bürgern die Jubiläumsschrift „Rodheimer Geschichte erleben!“ überreichen, die auch einen umfangreichen Veranstaltungskalender für das Jubiläumsjahr beinhaltete. Alle Aktiven hofften, dass die Angebote Zustimmung finden und einen regen Besuch zeitigen würden; sie hofften des weiteren, dass der Wettergott wohlgesonnen auf Rodheim schauen und die jeweiligen Veranstalter mit Sonnenschein für ihre Mühe belohnen möge. Die zahlreichen gezeigten Bilddokumente der Jubiläumsveranstaltungen konnten diese erfüllten Hoffnungen eindrucksvoll belegen. Mit Fug und Recht ist zu sagen: „Rodheimer Geschichte erleben!“ war ein vielfältiges Erlebnis mit einer ausgesprochen positiven Resonanz, und dies nicht nur bei der Rodheimer Bevölkerung!

Schinderhannes

Vortrag von Dr. Mark Scheibe am 9.3.2006

Das Kinderspiel „Räuber und Gendarm“ und die Erzählungen der Erwachsenen über den legendären Räuberhauptmann gehören sicher zu den Kindheitserinnerungen der überaus zahlreich erschienenen Vereinsmitglieder und Gäste. Carl Zuckmeier, geboren in Rheinhessen, war von dem extrovertierten Räuber so fasziniert, dass er ihm 1927 mit seinem Bühnenstück „Schinderhannes“ ein Denkmal setzte. Die Verfilmung des Stoffes 1958 verfestigte die Mär vom „Deutschen Robin Hood“.

Der Referent versuchte in seinem Vortrag die Vermischung von Dichtung und Wahrheit zu relativieren. Obschon auch er einräumen musste, dass dies im Endeffekt nicht möglich sein würde. Johannes Bückler war ein Räuber mit Charisma, der es schon zu Lebzeiten verstand, sich und seine Auftritte zu inszenieren. Die politische Situation begünstigten ihn und seine Räuberbande. Die französische Revolution hatte den rheinischen Gebieten zwölf Jahre lang kriegerische Auseinandersetzungen mit Befreiung und Besetzung, oft im monatlichen Wechsel, gebracht. Auch der territoriale Flickenteppich von Kleinststaaten begünstigte das Unwesen der Räuberbanden. „Häufig genügte der Sprung über einen Grenzbach“, so Dr. Scheibe, um sich bei Diebeszügen schnell in ein benachbartes Territorium zu flüchten.

Der Referent machte deutlich, dass Schinderhannes in den von den Franzosen besetzten linksrheinischen Gebieten sicherlich viele Verbrechen begangen habe, jedoch im Rechtsrheinischen nicht nur Unterschlupf gefunden und Verkaufsmöglichkeiten für Diebesgut bei Hehlern und auf Märkten gesucht habe. Nur seien die Verbrechen in den rechtsrheinischen Kleinstaaten nicht so systematisch ermittelt worden, wie dies die französische Verwaltung tat. Die dortige zeitaufwendige Zeugenbefragung genügte, dem Räuberhauptmann und seiner Bande, die durch gegenseitigen Verrat gefasst wurden, für 53 begangene  Delikte den Prozess zu machen. Offenbar wollte man das Ermittlungsverfahren, das ohnehin zwei Jahre dauerte, nicht noch weiter in die Länge ziehen.

Der Schauprozess endete nach vier Wochen und täglich sechs Stunden Verhandlung am 20. November 1803 mit 20 Todesurteilen. Am Tag der Exekution sollen 40000 Zuschauer der Hinrichtung beigewohnt haben; begierig, noch einen letzten Blick auf den berüchtigten und inzwischen sagenumwobenen Räuberhauptmann und seine Spießgesellen zu werfen.