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Martin Luther und die Juden

Der RGHV hatte am 15. Februar zu einer Vortragsveranstaltung zum o.g. Thema in das Forum Faselstall geladen. Der voll besetzte Raum bewies das hohe Interesse an der Thematik, die mit dem Referenten, Professor Friedrich Battenberg, hervorragend fachlich präsentiert wurde. Die Verbindung zu diesem Rechtswissenschaftler, ehemaligem Leiter des Hessischen Staatsarchivs Darmstadt und ausgewiesenem Fachmann für jüdische Geschichte, war durch den Nieder-Rosbacher Ortsvorsteher, Dr. Volker Hofmann, zustande gekommen.

Martin Luther, sein Leben und sein Urteil zu vielen Themen rückten im Rahmen des 500-jährigen Reformationsjubiläums im Jahr 2017 ins Licht der Öffentlichkeit, wenn auch gerade die Facette seiner Einstellungen zum Judentum eher weniger beleuchtet wurde. Luther äußerte sich als Theologe jedoch vielfach dazu. War er im Jahr 1523 noch Verfechter einer gesellschaftlichen Integration der Juden, so entwickelte er ab 1525, wohl aufgrund fehlender „Missionserfolge“ und aus Sorge um seine reformatorischen Bestrebungen, eine zunehmend kritische und ablehnende Haltung ihnen gegenüber. Diese gipfelten nach 1538 in Empfehlungen und Forderungen, die „verstockten“ Juden des Landes zu verweisen und ihre Synagogen zu verbrennen. Bereits 1536 hatte Johann Friedrich I. von Sachsen Juden den Aufenthalt im Kurfürstentum verboten, worauf der Rabbiner Josel von Rosheim, der damalige Anwalt der Juden im Reich, bei Luther um Fürsprache zur Aufhebung des Verbots bat. In einem Brief an Josel von Rosheim begründet Luther 1537 sachlich aber unnachgiebig, warum er sich dazu außerstande sieht.

Auf hohem Niveau gelang es Prof. Battenberg, die Zuhörer in die Lebens-, Gedanken- und Glaubenswelt des 16. Jahrhunderts mitzunehmen, in der der Teufel durchaus real war.

Vortrag „Schicksale und Lebenswege jüdischer Familien in Rodheim“

Anders als in den meisten Orten des Deutschen Reichs fand die sog. „Reichskristallnacht“ in Rodheim erst einen Tag später, nämlich am Nachmittag des 10. November 1938 statt. Die Auswirkungen für die wenigen noch verbliebenen ortsansässigen Juden, die bis dahin Haus an Haus mit ihren nichtjüdischen Nachbarn gelebt hatten, waren jedoch nicht weniger dramatisch. In einem sorgfältig recherchierten Vortrag berichtete Dr. Karsten Brunk, Vorsitzender der Rodheimer Geschichts- und Heimatvereins (RGHV) vor 40 Interessierten über die Schicksale jener, denen nicht die rechtzeitige Ausreise in außereuropäische Länder gelungen ist. Denn mit ca. 30 Personen ist knapp die Hälfte der ehemals in Rodheim lebenden jüdischen Mitbürger im Holocaust umgekommen. Die letzten 3 Familien hatten nach dem Novemberpogrom spätestens im Frühjahr 1939 Rodheim verlassen. Nach diversen Zwischenstationen, vor allem in Frankfurt, waren sie 1942 „nach Osten“ deportiert worden. Dort gelten einige als verschollen, die meisten wurden in Konzentrationslagern ermordet.

„Eine Familie wurde sogar komplett ausgelöscht“, sagte der Referent. Namen wie Stern, Borngässer und Levi, aber auch Simon oder Strauß waren damals im Adressbuch von 1926 zu finden. Schon vor über dreißig Jahren hatte Brunks Amtsvorgängerin Doris Fischer das Thema Judenverfolgung in Rodheim aufgegriffen und Kontakte zu den Überlebenden oder deren Nachkommen geknüpft. Nicht selten lagen viele tausend Kilometer zwischen Rodheim und dem jetzigen Heimatort ihrer Ansprechpartner. Brunk: „Doris Fischer war rundum mit dem Thema vertraut und lieferte viele wertvolle Beiträge über das Schicksal der einstigen Mitbürger.“

Auch Ex-Bürgermeister Alwin Biedenkapp widmete sich dem Thema Juden in Rodheim. Sein in Mundart geschriebenes Werk „Roaremer Jurre“ ist voll von Informationen über die jüdischen Familien und die Art und Weise des Zusammenlebens mit den übrigen Rodheimern. Wo haben die Juden in Rodheim gelebt, wer heiratete wen, welchem Beruf ging man nach, und wie sahen die Reaktionen der Juden und Nichtjuden aus, als der Druck des NS-Regimes und seiner oft willigen Gefolgsleute immer stärker wurde? Dies zeigte sich dann vor allem am Tag der „Judenaktion des deutschen Volkes“ im November 1938 mit seinen Plünderungen, Inhaftierungen und der vollständigen Zerstörung der Rodheimer Synagoge in der Wethgasse.

Brunk liegt es am Herzen, das Schicksal jener Menschen, die das Schreckliche erleben mussten, anderen nahe zu bringen. Dies wird auch dadurch unterstützt, dass die Familienschicksale mit konkreten Örtlichkeiten (Häusern) verknüpft werden. So zum Beispiel bei der Schilderung der Pogromattacken gegen die angesehene Familie der Lederhandlung David Stern in der Wethgasse. Der Vortrag hinterließ viele nachdenkliche und bedrückt wirkende Zuhörer.

Die Herren von Eppstein und Eppstein-Königstein, ehemalige Landesherren von Rodheim

Drei rote Sparren auf weißem Grund – wie ein roter Faden zog sich das Wappen der Eppsteiner Herren, dessen Elemente an einen Teil des Rodheimer Wappens erinnern, durch den Vortrag von Dr. Bertold Picard, am 21. März im voll besetzten Forum Faselstall.

Dr. Picard, früher Eppsteiner Archivar und Museumsleiter und hervorragender Kenner nicht nur der Eppsteiner Geschichte, gelang es, in die komplizierten Familien- und Herrschaftsverhältnisse der Herren von Eppstein samt Seitenlinien die Beziehungen zu Rodheim und eine Fülle von historischen Informationen spannend einzuflechten.

Ursprünglich aus Hainhausen im heutigen Kreis Offenbach stammend, nannte sich die Adelsfamilie nach ihrer Umsiedlung zwischen 1186 und 1189 nach dem neuen Wohnort Eppstein. Geschickte Heiraten und zahlreiche Lehen erweiterten die Territorial- und Machtbefugnisse, zu denen Privilegien wie Gerichtsbarkeit, Stadt-, Münz- und Zollrechte hinzukamen. Fast im gesamten 13. Jahrhundert waren die Mainzer Erzbischöfe aus dem Eppsteiner Haus. Die zweitgeborenen Söhne einer Generation hatten die geistliche Laufbahn einzuschlagen, während der Erstgeborene üblicherweise das Erbe des Vaters antrat.

Im 15. Jahrhundert erreichte der Flickenteppich der Eppsteiner Territorien seine größte Ausdehnung und umfasste neben den Stammlanden (jeweils Burg, Stadt und Herrschaft von Eppstein, Steinheim und Homburg) Gebiete von Wied am Rhein bis zum Odenwald, vom Spessart bis zum Vogelsberg und in der Wetterau.

Durch die falkensteinisch-münzenbergische Erbschaft wurden die Herren von Eppstein ab 1419 Mitbesitzer von Rodheim, ihnen folgte ab 1433 die jüngere Linie Eppstein-Königstein. Die Herrschaft Eppstein-Königstein, seit 1505 Grafschaft, wurde nach dem Ableben von Eberhard IV. im Jahr 1535 zur Grafschaft Stolberg-Königstein unter Ludwig zu Stolberg. Unter seiner Herrschaft wurde 1540 die Reformation in Rodheim eingeführt. Dessen Nachfolger verkauften 1578 ihren Anteil an die Grafen von Hanau, die fortan die einzigen Herren Rodheims waren.

Unter die eppsteinische Herrschaft fällt im späten 15. Jahrhundert auch der Bau der alten Kirche St. Veit (St. Vitus) in Rodheim, von der der noch heute erhaltene Kirchturm zeugt. Und hier schließt sich der Kreis zu den aktuellen Aktivitäten des RGHV, die Arbeit an der Sichtbarmachung der Grundrisse der letzten beiden Kirchenschiffe, also auch der sogenannten Alten Kirche, auf dem Gelände um den Kirchturm.

In Ergänzung des Vortrags findet am 12. Juli 2014 eine Exkursion des RGHV nach Königstein und Falkenstein statt, um die Kenntnisse vor Ort zu erweitern. Die Veranstaltung wird von Rudolf Krönke vom Heimatkundeverein Königstein/Ts. begleitet.

Vielleicht ergibt es sich, dass eine Exkursion uns im nächsten Jahr nach Eppstein führt. Die sehr interessanten Ausführungen von Dr. Picard, der uns die Bedeutung der Eppsteiner Herren als Hochadelsgeschlecht und ihre Einflüsse auf die Entwicklung unserer Region verdeutlicht hat, sprechen unbedingt dafür!

Ansturm auf das „Volksbad Rodheim“

Am 7. Juni 1953 wurde das „modernste Freibad der Wetterau“, das Schwimmbad am Wässerigten Weg in Rodheim, mit einer großen Feier und viel Publikum eröffnet. Ute Veit und Karsten Brunk vom RGHV nahmen das 60-jährige Jubiläum zum Anlass, am 15.11.2013 im Forum „Faselstall“ hinter dem Alten Rathaus einen Rückblick auf die Entstehungsgeschichte des „Volksbades“ zu halten. Der mehr als voll besetzte Versammlungssaal war ein Beweis für das große Interesse an diesem Thema, und beide Referenten sorgten dafür, dass die Erwartungen des Publikums vollauf erfüllt wurden. Auch die vom Vortrag begleitete Ausstellung mit Bildern und Dokumenten zum Schwimmbadbau und dem Schwimmbad als Rodheimer Attraktion in den 1950er und 1960er Jahren, ließ im Anschluss an den Vortrag das Publikum nach länger an den Schautafeln verweilen und Erinnerungen austauschen.

Dass ein Großbrand im Ortskern am 16. August 1951 der Auslöser für den Bau eines Löschwasserbeckens war, welches gleichzeitig als Schwimmbad genutzt werden sollte, das wussten viele der Zuhörer. Auch, dass man den Brand wegen Wassermangels größtenteils nur mit Jauche löschen konnte, wird oft berichtet. Woher die Rodheimer Bürger aber das nötige Eigenkapital für die 197 000 DM teure Baumaßnahme auf ihren Gemeindewiesen hatten, und welcher Zeitrahmen von der Planung bis zur Einweihung zur Verfügung stand, darüber wusste Ute Veit viel Neues und auch Amüsantes zu berichten. 

So gibt es zum Beispiel die vom ehemaligen Rohrmeister Wilhelm Duplois häufig erzählte (und durchaus glaubwürdige) Anekdote von den Gemeinde-Abgesandten, die dem Darmstädter  Regierungspräsidenten dank eines Korbes voll Metzgerei-Spezialitäten die Genehmigung für einen zusätzlichen Einschlag von 3000 Festmeter Holz abringen konnten. Aktenkundig ist jedenfalls, dass die Rodheimer hinterher über 50 000 DM Eigenkapital für das Schwimmbad verfügten. 

„Bei der Durchsicht der vorhandenen Archivalien wundert man sich über die Geschwindigkeit der Abläufe“, meinte Veit. Im Mai 1952 berichtete die Wetterauer Zeitung erstmals über den geplanten Schwimmbadbau, im Juni lag ein erster Vorentwurf des Bauingenieurs Philipp Köppel und dessen Bruder Otto Köppel vor, und am 1. August 1952 wurde Philipp Köppel pro forma die Bauaufsicht übertragen. Die offizielle Baubeschreibung kam erst 11 Tage später und umfasste ganze zwei Seiten. „Bereits in der Anfangsplanung war der Einbau einer Umwälzanlage zur hygienischen Wasseraufbereitung vorgesehen“ wusste die Referentin zu berichten. Für damalige Zeiten längst keine Selbstverständlichkeit, weshalb sich die Gemeindegremien bei der Beschaffung öffentlicher Zuschüsse mehrfach zu rechtfertigen hatten. Die Mühe sollte sich aber lohnen, wie man heute – 60 Jahre später – weiß: die damals montierte Anlage funktioniert noch bis heute einwandfrei, lediglich ein paar Rohre hat man zwischenzeitlich erneuern müssen.

Mit geradezu rekordverdächtiger Geschwindigkeit, an der der damalige Bürgermeister Friedrich Schröder nicht unerheblichen Anteil hatte, ging es im September weiter: Bauauftrag für die Erd- und Betonierungsarbeiten am 1.9, zwei Tage vor Erteilung der vorläufigen Baugenehmigung. Die kam erst am 3.9., und schon einen Tag später wurde mit den Ausschachtungsarbeiten begonnen. Die endgültige Baugenehmigung kam zum Monatsende, und am 25. Oktober lag bereits der Abnahmebericht für den Rohbau vor. „So schnell ging das damals mit den Baugenehmigungen“, kommentierte Veit. Gleiches galt für die Baumaßnahme an sich. „Vor dem Hintergrund, dass es ja noch keinen Lieferbeton gab und der Beton von Hand gemischt und mit Schubkarren zum Becken gebracht wurde, eine enorme Leistung!“

 Der Enthusiasmus kam ins Stocken, als das Hessische Innenministerium mitteilte, nur solche Projekte mit etwaigen Staatszuschüssen zu bedenken, die zuvor von der „Deutschen Gesellschaft für das Badewesen“ begutachtet worden seien. Die Stellungnahme der Gesellschaft war vernichtend, vor allem empfahl man den Bau eines kleineren Beckens. Dabei hatte man sich in Rodheim doch bewusst für eine Beckengröße entschieden, die den Wettkampfbestimmungen des Deutschen Schwimmverbandes entsprach. Eine deutlich formulierte Gegendarstellung zeigte Wirkung, so dass die Wetterauer Zeitung nach der Winterpause am 27.3.1953 berichtete: „Die Inbetriebnahme des Schwimmbades ist noch für das laufende Jahr vorgesehen.“ Jetzt wurde das Tempo noch weiter erhöht. „Die Verträge waren knallhart, Sonderzahlungen für Nacht-, Sonn- oder Feiertagsarbeiten ausgeschlossen“, war zu erfahren. Bei Nichteinhaltung von Terminen drohten Strafzahlungen.

In einer Gemeinderatssitzung am 16. April 1953 wurden die Aufträge für die noch sehr umfangreichen Restarbeiten vergeben. Die Zeit wurde knapp, doch die Rodheimer starten durch. Schon ab dem 20. Mai konnte das Becken tatsächlich mit Wasser gefüllt werden. Dieser Vorgang dauert auch heute noch 5 1/2 Tage. „Es ist beeindruckend, wie viel in dieser Zeit nicht nur von den beteiligten Firmen, sondern auch vom ‚Logistikzentrum‘ Rathaus und den Gemeindegremien samt Architekt geleistet wurde“, lobte Veit. Erst zur Eröffnung der nächsten Badesaison 1954 seien auch die Außenanlagen und die Zufahrtstraße „Am Schwimmbad“ endgültig fertig gewesen. „Die Kosten waren für damalige Verhältnisse eine enorme Summe, die aufgebracht worden war aus Eigenkapital, Eigenleistung und Fördergeldern. Von Kreditaufnahme war nirgends die Rede.“

Die Attraktion und herausragende Funktion des Rodheimer Schwimmbades in den folgenden Jahrzehnten, nicht nur als regionaler Ort der Freizeitgestaltung, des Sports und der Gesundheit, sondern auch für die Integration von jung bis alt und multikulturell, verdeutlichten die abschließend gezeigten Bild- und Videodokumente. Darüber hinaus war das Schwimmbad damals sogar das Ziel von Hochzeitsgesellschaften und im Sommer 1959 kam der in Friedberg stationierte Elvis Presley wegen des Schwimmbades zu einer Stippvisite nach Rodheim. Bis heute ist die „blau-grüne“ siedlungsfreie Fläche im Herzen von Rodheim ein prägendes Juwel, das es zu erhalten gilt.

Die Frühzeit des Mittelalters – Die ersten Franken in der Wetterau

Unser heutiges Siedlungsmuster entstand in seinen Grundzügen in fränkisch-merowingischer Zeit, somit liegen die Weiler und Höfe häufig unter den heutigen Ortskernen. Die Lage der Wohnplätze kann aber durch die Positionierung der Friedhöfe eingegrenzt, die ethnisch-soziale Struktur der Bewohner anhand der Ausstattung der Gräber erforscht werden.

In fränkischer Zeit etabliert sich die Sitte, die Toten in Reihen beizusetzen („Reihengräberfeld“), sie in voller Tracht und mit teils reichen Beigaben zu bestatten. Die Archäologen finden neben Keramik und gelegentlich Gläsern v.a. Waffen in den Männer- und Schmuckstücke sowie Zeichen der Schlüsselgewalt in den Frauengräbern.

Niedererlenbach, Grab 88: Glas- und Bernsteinperlen, eiserne Fibel (Brosche) mit Silbertauschierung (Durchmesser 6 cm)

Prof. Dr. Hermann Ament, emeritierter Professor für Vor- und Frühgeschichte der Universität Mainz, führte am Freitag, dem 11.05.2012, eine große Zuhörerschaft in die Entwicklungen und Strukturen des frühen Mittelalters ein, erstmals im Forum Faselstall, dem neu etablierten Veranstaltungsraum des Rodheimer Geschichts- und Heimatvereins. In Fortführung seines im letzten Jahr gehaltenen Vortrags, der die Umwälzungen der Völkerwanderungszeit, speziell die alamannischen Einflüsse in unserem Gebiet zum Thema hatte, ging es jetzt um die Entwicklungen der Folgezeit unter fränkisch-merowingischer Herrschaft.

Das große Ereignis an der Wende von der alamannischen zur fränkischen Vormacht war die Schlacht bei Zülpich 496 n. Chr. Chlodwig I., Sohn von Childerich I., dessen Grabinventar ebenfalls präsentiert wurde, war ein fränkischer König aus dem Geschlecht der Merowinger, der nach dem Sieg zum christlichen Glauben übertrat. So zeigen auch die Grabbeigaben, wie Ament speziell anhand der Gräberfelder von Nieder-Erlenbach und Wölfersheim-Berstadt belegte, ein Nebeneinander von Zeugnissen des frühen Christentums und Relikten heidnischen Aberglaubens. Es finden sich Darstellungen des Kreuzes beispielsweise auf Fibeln ebenso wie vorchristliche Symbole, die an den nordischen Tierstil erinnern.

Die Franziska, die fränkische Wurfaxt, der Sax, das einschneidige Hiebschwert, die Spatha, das zweischneidige Schwert, Cloissonnéarbeiten, mit Almandin verzierte Fibeln und Skelettfunde – anhand der daraus abgeleiteten archäologischen Ergebnisse ist es Professor Ament gelungen, ein brillantes Bild der Menschen der vorkarolingischen Zeit zu zeichnen, in der wir auf zeitgenössische, unmittelbare schriftliche Belege kaum zurück greifen können. Die Kenntnisse und handwerklichen Fertigkeiten der Menschen dieser frühmittelalterlichen Epoche waren für die Zuhörer beeindruckend.

Die Rodheimer Kirchturmuhr – Die Zeit im Wandel der Zeit

Ein altes Ziffernblatt der Rodheimer Kirchturmuhr – erster Blickfang bei der RGHV-Ausstellung zur Ortsgeschichte im Jahr 2005 – war für den Vortragsreferenten Joachim Beuck der Auslöser, sich mit dessen Vorgeschichte intensiver zu befassen. Daraus entwickelte sich für unser Vorstandsmitglied ein facettenreiches Projekt, das neben der Literaturrecherche auch umfassende Nachforschungen in Archiven, Museen, Standorten mit historischen Uhren und Uhrmacherwerkstätten zur Folge hatte.

Ziffernblatt der Rodheimer Kirchturmuhr von 1953

Die Ausführungen zur Kirchturmuhr waren eingebunden in einen Abriss zur Geschichte der Zeitmessung, die ihren Anfang bei den Sonnen- und Wasseruhren der Ägypter und Babylonier vor über dreitausend Jahren nahm. Diese frühen Hochkulturen entwickelten bereits die Untergliederung des Tages in zwei mal zwölf Stunden, die noch heute gilt. Die Zeitreise ging weiter über die Griechen, Römer und Araber bis hin zur Erfindung der mechanischen Turmuhren gegen Ende des Mittelalters. Mit der zunehmenden verkehrlichen Vernetzung durch die Eisenbahn im 19. Jahrhundert wurde eine Standardisierung der Ortszeiten immer dringlicher, die dann 1893 im Deutschen Reich als Mitteleuropäische Zeit eingeführt wurde. Die Zeitreise endete schließlich mit der Atomuhr, von der heute auch Rodheim das Funksignal zur Steuerung seiner Kirchturmuhr bekommt.

Referent Joachim Beuck

Die Nachweise zur Geschichte der Rodheimer Kirchturmuhr im spätmittelalterlichen Kirchturm erlauben für die ersten Jahrhunderte nur eine lückenhafte Rekonstruktion. Die ältesten schriftlichen Belege gibt es ab dem Jahr 1583, erhalten als Ausgabenposten für Wartung, Pflege und Reparaturen in den Rodheimer Bürgermeisterrechnungen. Deutlich besser wird die Quellenlage mit dem Einbau einer neuen, jetzt weitaus moderneren Kirchturmuhr im Jahr 1868, deren Zeitmessung auf einem Ziffernblatt über dem Marktplatz angezeigt wurde. Ab 1953 schmückten dann 4 Ziffernblätter den Rodheimer Kirchturm, von denen das 2005 präsentierte in der Rodheimer Sammlung des RGHV erhalten ist.

Zwischen Römerzeit und Frankenreich – die Wetterau unter der Herrschaft der Alamannen

war das Thema eines sehr gut besuchten Vortrages, den Professor Dr. Hermann Ament, Prähistoriker aus Mainz,  am Freitag, dem 8. April 2011, im Rahmen der Vortragsreihe ‚Archäologie der Wetterau‘ des Rodheimer Geschichts- und Heimatvereins hielt.

Die Alamannen, vom römischen Historiker Asinius Quadratus als ‚Alama noí – zusammengespülte und vermengte Menschen‘   bezeichnet (was allerdings nur durch den spätantiken byzantinischen Schriftsteller Agathias überliefert ist), waren demnach eine heterogene Bevölkerungsgruppe hauptsächlich elbgermanischer Abstammung, deren Entwicklung etwa im 3. nachchristlichen Jahrhundert  begonnen hat.  Nach dem römischen Geschichtsschreiber Tacitus zählen hierzu alle elb- und ostgermanischen und damit auch suebische Stammesgruppen. Deren ursprüngliche Heimat  muss vorwiegend in Mecklenburg, im Mittelelbe- und  Saalegebiet gelegen haben. Neuerer Forschung entsprechend gilt als erste sichere Nennung des Namens Alamannen eine Textstelle aus einer im Jahr 289 n. Chr. von Claudius Mamertinus (römischer Politiker und Konsul) verfassten Lobrede auf  Kaiser Maximianus.

Etwa um den Zeitraum 259/260 n. Chr. wird der Obergermanisch-Rätische Limes von den  Römern aufgegeben, Rhein und Donau werden die neue Grenzlinie. Das sogenannte Dekumatland zwischen Limes und den Grenzflüssen steht der allmählichen Landnahme durch germanische/alamannische Stämme ohne wesentliche militärische Konflikte offen. Dennoch muss die Alamannia, wie das Siedlungsgebiet später genannt wird, mehrfach gegen römische Angriffe verteidigt werden, und auch alamannisches Vordringen in Grenzgebiete ist bezeugt.

Es gab wohl keinen alleinigen Stammesführer aller Alamananen. Ammianus Marcellinus, ebenfalls römischer Gesichtsschreiber, berichtet in seiner ‚Res Gestae‘ von zahlreichen alamannischen Kleinkönigen. Durch ihn sind auch die Namen einzelner alamannischer Bevölkerungsstämme überliefert, für unserer Gebiet der Stamm der Bucinobanten.

Bereits die Römer hatten ja – obwohl geradlinige Grenzverläufe bevorzugend – einen Bogen um die fruchtbare Wetterau geschlagen und diese so in ihr Territorium einbezogen, das nun zum Dekumatland gehörte. Die Besiedlung durch die Alamannen/Bukinobanten ist für die Kulturlandschaft Wetterau anhand zahlreicher archäologischer Funde belegt. Ein Beispiel hierfür ist die großflächige alamannische Siedlung „Am Mühlbach“ in Echzell. Neben zahlreichen ergrabenen Häusern konnten hier mehrere Brunnen dokumentiert werden, deren Holzkonstruktionen in dendrochronologischen Untersuchungen ein Fälldatum um 317 n. Chr. belegen. Gefundene Steinfragmente stellen den Bezug zum nur wenige Meter entfernten römischen Kastell her.

So zeigen Ausgrabungen generell, dass nicht nur die Bodenqualität oder das Klima die Wahl eines Siedlungsplatzes bestimmten, alamannische Siedler ließen sich bevorzugt im Umfeld der offen gelassenen und zu Teil zerstörten römischen Villae rusticae oder der Kastelle und ihrer Vici nieder. Sie nutzen die verlassenen Anwesen  als Rohstoff-Resourcen, profitierten aber auch von der vormals römischen Infrastruktur wie Rodungsflächen und Wegeanbindung. Das damals neue Siedlungsmuster in der Landschaft ist im Altsiedelland dem heutigen Verbreitungsmuster durchaus ähnlich und unter so manchem historischen Ortskern kann eine bis in die alamannische Zeit zurückreichende erste Besiedlung vermutet werden. Auf dem Gebiet der Stadt Rosbach konnte südlich der Brunnenmühle ein alamannischer Siedlungsplatz in typischer Hangfußlage archäologisch nachgewiesen werden.

Für alamannische Ansiedlungen typisch sind Hofanlagen mit Haupthaus, eine viereckige Einraumanlage mit innen offenem Dachstuhl, Speichergebäuden und Grubenhäusern, letztere eingetieft, im Schnitt etwa 8 qm groß und vorwiegend als Handwerksräume genutzt.   Zum Teil sind Anlagen nachgewiesen, die als Badehäuser interpretiert werden. Umgeben war die gesamte Anlage von einem Palisadenzaun. Seltener findet man Weiler, also Zusammenschlüsse mehrerer Hofanlagen.

Aber auch bestehende Höhensiedlungen wurden bevorzugt besiedelt und befestigt, so nachgewiesen für den Glauberg und den Runden Berg bei Urach, möglicherweise zur Unterscheidung von den eher bäuerlich geprägten Talsiedlungen. Sie können als Fürstensitze bezeichnet werden. Inwieweit sie als Fluchtburgen dienten, ist ungewiss.

Jede Ansiedlung von Menschen benötigt einen Platz, an dem die Verstorbenen abgelegt werden können. Die ursprüngliche Bestattungsform aller Stämme, aus deren Zusammenschluss sich die Alamannen entwickelten, war die Brandbestattung. Diese fand sich in der Alamannia nicht. Zunächst wurden nur einzelne Gräber oder kleine Grabgruppen angelegt. Das änderte sich im Verlauf des 5. Jahrhunderts. Es entstanden nun Körper-Gräberfelder, die lange benutzt und auf denen offensichtlich alle Stammesangehörige beigesetzt wurden, jeweils nach Osten gerichtet. Diese archäologisch als Reihengräberfelder bezeichneten Anlagen setzten sich bis zum 6. Jahrhundert n.Chr. als die übliche Bestattungssitte durch. 

Die Verstorbenen wurden in der Regel in ihrer Tracht beigesetzt und mit Grabbeigaben ausgestattet, deren Qualität und Quantität Rückschlüsse auf den sozialen Status des Bestatteten zulassen und die die Vorstellung der Alamannen an eine „Fortexistenz der verstorbenen Person“ – so Ament, belegen. Als herausragendes Beispiel untermauerte der Referent seine Aussagen mit der Präsentation des Reihengräberfeldes von Eschborn. Hier wurden anhand der Funde die unterschiedlichen Beigabensitten bei Männern, Frauen und Kindern erläutert, die dem Publikum die Vorstellungswelt der Alamannen näherbrachten.

Zahlreiche Fragen und kenntnisreiche Diskussionsbeiträge belegten zum Ende der Veranstaltung das rege Interesse des Publikums an diesem historisch-archäologischen Thema.

Bruodbiern unn Roaremer Mundoart

Unter diesem Motto stand eine überaus gelungene Veranstaltung, zu der der Rodheimer Geschichts- und Heimatverein und der örtliche Obst- und Gartenbauverein am 14. Januar 2011 in die Gaststätte „man trifft sich“ eingeladen hatten. Nach der Begrüßung der etwa 120 Besucher durch die beiden Vorsitzenden Karsten Brunk und Walter Soff waren alle auf die angekündigte Spezialität gespannt, nämlich „weiße Bruodbiern mit Kadoffelseload unn Flaaschwurscht“. Ermöglicht wurde dieser Genuss dadurch, dass die Ernte der kleinen und runden, weißen und ziemlich hartfleischigen Birnen im letzten Herbst doch eine recht reichhaltige Ausbeute beschert hatte.

Der Wirt der Gaststätte „man trifft sich“, Ulli Müller, hatte keine Mühe gescheut, um 40 Kilo Erntegut in die Röhre zu schieben. Begleitet von einer guten Portion Kartoffelsalat und je einem halben Ring Fleischwurst fanden die begehrten Schmor-Früchte schnell ihre Abnehmer. „Wir wollen, dass heimische Obstsorten aus unseren Streuobstwiesen wieder jene Beachtung finden, die sie verdient haben“, kommentierte Walter Soff die Aktion. Manche Obstbäume brauchten schließlich fast ein Menschenleben, um die Blüte ihrer Existenz erleben zu dürfen. Viel zu viele Obstbaumstücke gerieten im Laufe der Zeit in Vergessenheit und sähen nicht selten traurig aus.

Den Organisatoren gelang es mit Geschick und Lockerheit, die Historie, den Obstanbau und Kulinarisches heiter, unkompliziert und in mundartliche Beiträge eingebettet miteinander zu verbinden. So erinnerte Emmi Reller in ihrem Dialektbeitrag zum Beispiel an einen typischen Sonntagmorgen aus alten Zeiten, an dem die Bratbirnen bereits im Backofen schmurgelten, während die Familie noch den Sonntagsgottesdienst besuchte.

Das „Eintracht-Quartett“ des Gesangvereins (Heinz Jahr, Wolfgang Fitzner, Rainer Schaub und Frank Demmer) erfreute mit musikalischen Erinnerungen an den sonntäglichen Kirchenbesuch sowie an die „Runkel-Roibe-Ropp-Maschien“. Bäuerlich geprägt war auch der Stegreiftext von Walter Soff mit seinen Erinnerungen aus der Kindheit. Darin schilderte er sehr anschaulich und originell die Umstände um einen aufregenden Sommertag in den späten 1950er Jahren, an dem die Getreideernte am „richtigen“ Tag eingebracht werden konnte.

Einen Ausflug in die Mundartgeschichte unserer Region unternahm Manfred Bausum, der die Dialektentwicklung unter anderem mit Beispielen des „Kärbers“ Peter Geibel belegte. Karin von Hayn wiederum konzentrierte sich auf die örtliche Mundart und die damit amüsant verpackten Begebenheiten von „damals“. Und der Rodheimer Poet „Selzer Richard“, alias Richard Hofmann, kam nochmals durch seinen Urenkel Wolfgang Schäfer mit einem Gedicht zu Wort.

Emmi Reller überraschte neben ihrem Vortrag im Laufe des Abends noch mit einer weiteren Spezialität aus dem Backofen. Diese bestand aus einen Sack mit leckeren Grieben-Kratzkuchen, den sie unter den Zuhörern verteilte. Den musikalischen Abschluss des Abends markierte schließlich das vom „Eintracht-Quartett“ angestimmte und vom Publikum kräftig begleitete „Roarem“-Lied.

„Wir hatten an diesem Abend mit höchstens hundert Besuchern gerechnet“, sagte Karsten Brunk. Dass man sich mit dieser Zahl kräftig nach unten verschätzt hatte, freute nicht nur ihn, sondern auch alle anderen, die zum Gelingen des Abends beigetragen hatten. „Wir sind zuversichtlich, auch in Zukunft aus der guten Zusammenarbeit zwischen Geschichts- und Obst- und Gartenbaubauverein ein neues Ereignis stemmen zu können“.

Zuflucht, nicht Heimat

Unter dem Thema „Zuflucht, nicht Heimat“ hatte der Rodheimer Geschichts- und Heimatverein (RGHV) am 19.11.2010 zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen. Referentin war Doris Fischer, einst langjährige Vereinsvorsitzende. „Es ist ein wundervoller Blick in diese Runde“, meinte ihr Nachfolger Karsten Brunk angesichts der über hundert Zuhörer, die sich im Kollegraum des Bürgerhauses eingefunden hatten. So viel Interesse an einem Vortrag habe es nicht immer gegeben.

 Bevor die Referentin, eine gebürtige Rodheimerin, auf den schwierigen Neubeginn und die „versuchte Integration“ der Evakuierten, Flüchtlinge und Heimatvertriebenen zu sprechen kam, ging sie ausführlich auf die Historie der deutschen Ostsiedlung ein – beginnend mit der Epoche der Völkerwanderung im 4. bis 6. Jahrhundert – sowie die politischen Hintergründe der polnischen Teilungen. Allein dies wäre ein eigener Vortrag wert gewesen.

Blumen für die Referentin Doris Fischer gab es von Karsten Brunk, dem Vorsitzenden des Geschichts- und Heimatvereins

Auszüge aus Beschreibungen von Flüchtlings-Odysseen führten schließlich auf das Thema hin, das laut Fischer „nicht zu den rühmlichsten der Rodheimer Ortsgeschichte zählt“. Es war die Bereitstellung von Wohnraum für die Hilfesuchenden. „Man musste sich arrangieren und erleben, dass der, der wenig hat, am ehesten zum Teilen bereit war“. Viele Anfeindungen der Einheimischen, wenn Wohnraum, Haushaltsgeräte und Textilien an die Mittellosen abgegeben werden sollten, hätten den beiden Bürgermeistern Philipp Schmidt, und später Friedrich Schröder, Kopfzerbrechen bereitet und das Zusammenleben erschwert. „Auch die Flüchtlingskinder waren in manchen Haushalten als Spielkameraden unerwünscht“. Die Notwendigkeit einer gemeinsamen Küchenbenutzung hätte für viele Hausbesitzer „eine schier unüberwindliche Hürde“ bedeutet. Ursache waren nicht nur die rund 400 Flüchtlinge und Vertriebenen gewesen, deren Zahl bis Ende 1950 auf rund 500 anstieg, sondern auch Evakuierte zum Beispiel aus Frankfurt.

 Viele von ihnen blieben in Rodheim ansässig. „Lange Jahre haben wir allerdings immer nur am Rand gestanden“, erinnerte sich eine Zuhörerin an ihre Nachkriegszeit-Kindheit zurück. Sie gehörte zu jenen Neubürgern, die Mitte des vorigen Jahrhunderts rund ein Viertel der Rodheimer Gesamtbevölkerung darstellten, und die sich um eine Integration bemühten. Wie Fischer ausführte, wurde das kommunale Zusammenleben damals durch die Kontrollratsgesetze der Besatzungsmächte geregelt, worüber es im Gemeindearchiv zahlreiche – wenn auch bislang noch nicht ausreichend sortierte – Unterlagen gebe. Inzwischen habe sich die Bevölkerungszahl von Rodheim seit Kriegsende fast verdoppelt, und mit derzeit nahezu 500 ausländischen Mitbürgern eine erneute Herausforderung mit sich gebracht. „Für mich ist es eine Ironie der Geschichte, dass sich heute darunter ungefähr doppelt so viele Muslime befinden, wie vormals Juden in unserem Dorf lebten“, beendete Fische ihren Vortrag. (sky)

Blättern in den Dokumenten der eigenen Vergangenheit. Doris Fischer hatte einige Unterlagen aus dem Rodheimer Gemeindearchiv mitgebracht, die sie auf einem separaten Tisch zur Einsichtnahme bereit legte.